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des rechten Oucrschiffarmes vor dein Frauenaltnre erl'.annt. Dort Iteht es an ausgezeichneter Stelle, von allen Seiten
sichtbar, beleuchtet von den Jenstern der Prinzencnpellc, gegenüber dem Salmdenkmal.
So erfüllt die Votivkirche schließlich noch eine Bestimmung über die bereits verzeichneten hinaus, die nämlich einer
Denkmälerkirche, einer österreichischen RuhmcshnIIe. In diesem Gedanken begegnen sich die wünsche vieler Gnten
nnd Edeln. Wie die Westminsternblei in London, mic das Pantheon in Paris, ivie Santa Croce in Florenz oder Santa
Maria glorios« dci Vrnri und San Giovanni e Paolo in Uenedig soll es auch in Wien eine Stätte geben, an welcher
ein Plätzchen zu finden noch eine Ehre sein soll für diejenigen, die einer anderen irdischen Ehre nicht mehr bedürfen.
In die Verhältnisse der Großstadt haben sogar ein 0>cdürsniß in dieser Richtung geschaffen. Die verschiedenen Friedhöfe
vor den Thoren Wiens sollen zu Gunsten des allgemeinen Centrnlsriedhofes demnächst aufgelassen werden, was soll dann
aus den Gebeinen der großen Männer werden, die in ihnen ruhen, was beispielsweise aus den Gräbern Grillpnners,
0ccthouens, Schuberts auf dem währingcr Friedhole? Sollen sie auf den entlegenen Eentraltriedhof übertragen werden,
auf die Gefahr hin, daß einst noch, wie bei Mozarts Grab, die Stelle in Uergessenheit gerathc, die ste dort einnehmen?
wäre es nicht würdiger, ihre Asche in dem ^oden ihres geliebten Wien zu bergen, inmitten einer Ceuölkerung, welcher
ihr Andenken heilig ist, so wie ja auch noch Prinz Engen von Snvoyen seine Ruhestätte im Dome von St. Stephan
gefunden hat? Ehrenwerth ist ja nur ein Uolk, das seine großen Todten ehrt.
Es soll damit keineswegs einer Häufung ocm Gräber» oder auch nur von Denkmälern in der Uotmkirche das wort
geredet werden. Die Ucbertrngung der irdische» Ueberreste berühmter Männer wird sich doch nur in den Fällen emufehlen,
wo es gilt, die Grabstätte vor Profnnntio» oder Uerüdung zu schützen. Auch sonst bedarf es an solcher Stelle keines
prunkenden Aufwandes; schon ein üild, ein Ieichen der Erinnerimg, die Nennung des gefeierten Namens in einer Inschrift
wird genügen. Sehr geeignet zu der Anbringung solcher Denkmäler erweisen sich, abgesehen von den ttreuzfchiff- und Chor-
capcllen mit ihren wnndflächen, namentlich auch die nifchennrtigcn Ausbauten, welche sich zwischen den eingezogenen
Strebepfeilern in den Seitenschiffen des Langhauses ergeben. Sie sind dazu wie geschaffen und der Unum genügt für lange.
Wenn sich dann, den verschiedenen Ücstinimungen der Uotivkirche gemäß, die Elite der österreichischen lugend in ihr
versammelt und zwar sowohl die wehrhafte, wie die, welche insbesondere die Waffen des Geistes zn führen berufen ist —
und beide sind ja nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht nicht mehr oon einander zu scheiden — wenn stch die imigen
Herzen himmclswnrts heben und wenn die Erinnerung an den Ursprung dieses kunstreichen Gotteshauses sie gemalint
einzustehen für ihren Kaiser, dann werden auch die Denkmäler der großen Todte» zu den lüiiglingeu sprechen und sie
zu Thaten begeistern. Und so wird die auf dem herrlichsten Platze Wiens emporragende Uotmkirche i» wahrheil das sei»,
was uor allem noththut und was sie nach der Absicht ihres Stifters werden sollte; eine feste ^nrg der Ideale iumillen
des geschäftigen Treibens einer moderne» Weltstadt.
Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Titel
- Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Autor
- Moriz Thausing
- Verlag
- Verlag von R. v. Waldheim
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 25.0 x 33.2 cm
- Seiten
- 148
- Schlagwörter
- Kirche, Kunstgeschichte, Architektur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918