Seite - 123 - in Die Waffen nieder! - Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner, Band 1
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sich zu unserem Schmerz verhält, desto sehnsüchtiger
flüchten wir an ein anderes Menschenherz, von dem
wir glauben, daß es mitfühlend schlägt. Darum hat
mich das weiße Papierblatt, das der Arzt beim Nezept-
schreiben auf dem Tische liegen ließ, herangelockt —
und darum schicke ich das Blatt an Sie . . .
7 Uhr. Es ist vorbei.
— Lebewohl, mein alter Bub'. Das waren ihre
letzten Worte. Darauf schloß sie die Augen und schlief
ein. — Schlaf wohl, meine alte Muttec!
Weinend küßt Ihre lieben Hände Ihr zu Tode be-
trübter
Friedrich Tillina."
Diesen Brief besitze ich noch. Wie zerknittert und
verblaßt sieht das Blatt nicht aus! Nicht nur die
verflossenen fünfundzwanzig Jahre haben diese Ver-
witterung verursacht, sondern auch die Thränen und
Küsse, mit welchen ich damals die lieben Schriftzüge
bedeckte. „Zu Tode betrübt" — ja — aber auch
„himmelhochjauchzend" war mir zu Mute, nachdem
ich gclcscn. Deutlicher — obwohl kein Wurt von
Liebe darin stand — konnte kein Brief den Beweis
erbringen, daß der Schreiber die Empfängerin — und
keine andere — liebte. Daß er in solcher Stunde,
am Sterbelager der Mutter, sein Leid nicht nin Herzen
der Prinzessin auszuweinen sich sehnte, sondern an dem
meinen — das mußte doch jeden eifersüchtigen Zweifel
ersticken.
Ich überschickte am selben Tage einen Totenkranz
Die Waffen nieder!
Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner, Band 1
- Titel
- Die Waffen nieder!
- Untertitel
- Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner
- Band
- 1
- Autor
- Bertha von Suttner
- Verlag
- E. Pierson's Verlag
- Ort
- Dresden und Leipzig
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.94 x 18.0 cm
- Seiten
- 326
- Schlagwörter
- Krieg, Frieden, Pazifismus, Nobelpreis
- Kategorien
- Biographien
- Weiteres Belletristik