Seite - 260 - in Die Waffen nieder! - Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner, Band 1

— 260 — letztere Vermutung meiner Schwcster Nilli gegenüber fallen ließ, errötete sie tief und antwortete achselzuckend: „Du weißt doch, daß ich ihn nicht mag." Mein Vater bezog feine alte Wohnung in der Herrengasse. Er trug uns an, wir möchten uns bei ihm niederlassen, da er genügend Raum dazu hätte; wir zogen es aber vor, allein zu leben, und mieteten am Franz-Iofeph-Quai ein kleines Mezzanin. Meines Mannes Gehalt und das mir von meinem Vater aus- gestellte Monatsgcld genügten für unseren bescheidenen Haushalt reichlich. Auf abonnierte Logen, Hofbällc — überhaupt auf „in die Welt gehen" mußte freilich verzichtet werden. Aber wie leicht verzichteten wir da! Es war uns sogar angenehm, daß meine pekuniären Verluste dieses Zurückziehen rechtfertigten — denn wir liebten die Zurückgczogcnhcit. . Eincm klcinen Krcife don Verwandten und Freunden blieb unser Haus immerhin offen. Besonders meine Jugendfreundin Lori GricZbach bcsuchte uns oft, Öfter beinahe als mir lieb war. Ihre Gespräche, die mir fchon früher stark oberflächlich erschienen warcn, fand ich jetzt gar ermüdend schal, und ihr Iuteressenhorizont, dessen Enge ich immer erkannt hatte, machte mir den Eindruck, jcht noch zusammengeschrumpfter zu sein. Aber hübsch war sie und lebhaft und kokett. Ich be- griff, daß sie in der Gesellschaft so manchen den Kopf verdrehte — uud es hieß, daß sie sich nicht ungern den Hof machen ließ. Was mir nicht ganz angenehm war, war die Wahrnehmimg, daß ihr Friedrich sehr wohl gcficl, und daß sie. manche Blickpseile auf ihn.