Seite - 157 - in Die Waffen nieder! - Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner, Band 2

— 15? — energisches, rastloses Schalten gab uns das einzige Sicherheitsgcfühl: wenigstens war unser sinkendes Schiff nicht ohne Kapitän. Ach, diese Cholerawoche in Grumitzl . . . Über zwanzig Jahre sind seither vergangen, aber noch schaudert es mir durch Mark und Bein, wenn ich daran zurückdenke. Thränen, Wimmern, herzzerreißende Stcrbe- scenen — der Karbolgcruch, das Knochenknarren der Krampfbesallenen, die ekelhaften Symptome, das un- aufhörliche Geklingel des Totenglöckleins, die Begrab' nisse —nein: Verscharrungen — denn in solchen Fällen gibt es keinerlei Trauerpomp; — die ganze Lebens- ordnung aufgegeben: keine Mahlzeiten — die Küchin war gestorben — kein Schlafengehen des Nachts — hier und da ein stchcnd eingenommener Bissen, und in den Morgenstunden ein sitzendes Einnicken. Draußen, wie eine Ironie der gleichgültigen Natur, das herrlichste Sonunerwctter, frühlicher Amselschlag, üppiges Farben- glühen der Blumenbeete ... Im Dorfe ununterbrochenes Sterben — die zurückgebliebenen Preußen alle tot. „Ich bin heute dem Totengräber begegnet," erzählie Franz der Kammerdiener, „wie er mit einem leeren Wagen vom Friedhof zurückfuhr. „Wieder ein paar hinausgeschafft?" habe ich ihn gefragt. „Ja, wieder sechs oder sieben . . . alle Tag, fo ein halb' Dutzend, manchmal auch mehr . . . es kommt auch vor, daß einer oder der audere im Wagen drin noch a bisfl muckst — aber thut nix — nur 'ncin in die Gruben mit die Preußen!" Am folgenden Tage starb der Unmensch selber und