Seite - 162 - in Die Waffen nieder! - Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner, Band 2

— 162 — Es war damals eine solche Trauer- und Stcrbe- reslgnation über mich gekommen, daß ich stündlich er- wartete, der Tod — in dessen Zeichen das Land seil zwei Monaten stand — werde nun mich selber und meine anderen Lieben dahinraffen. Mein Friedrich — mein Nudulf: ich beweinte sie schon im voraus. — Bei alledem, mitten in meinem Harme, hatte ich doch süße Augenblicke. Das war, wenn ich an meines Gatten Vrust gelehnt, von ihm liebend umschlungen. mein Leid an seinem treuen Herzen ausweinen durfte. Wie sanft er da — nicht Trost-, aber Worte des Mitschmerzes und der Liebe zu mir sprach, es wurde mir dabei so warm und weit ums eigene Herz . . . Nein, die Welt ist nicht so schlecht — mußte ich un- willkürlich denken — die Welt ist nicht ganz Jammer und Grausamkeit: es lebt in ihr das Mitleid und die Liebe . . . freilich erst in einzelnen Seelen, nicht als allgültiges Gesetz und als obwaltender Normal- zustand — aber doch vorhanden; und so wie diese Regungen uns zwei durchglühen, mit ihrer milden Rührung selbst diese Schmerzenszeit versüßend — so wie sie noch in vielen anderen, ja in dcn meisten Seelen wohnen, so werden sie einst znm Durchbruch gelana.cn und das allgemeine Verlangen der Menschcn- familie beherrschen: die Zukunft gehurt der Güte. Wir verbrachten den Rest des Sommers in der Nähe von Genf. Es war Doktor Vresscrs Über- redungskunst doch gelungen, uns zur Flucht aus der verseuchten Gegend zu bewegen Anfangs sträubte ich