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Einleitung | 17
lich zu optimistisch bemessen gewesen, die grundsätzliche Idee einer solchen Ent-
wicklung aber müssen wir fast fünf Jahrzehnte später als sehr weitsichtig würdigen.
In Paisleys Szenario nämlich wird das ›Problem der Museen‹ medientechnologisch
gelöst: Wo Valéry im unkontrollierten, geschwürartigen Wachstum der Sammlungen
die unweigerliche Vernichtung der Bedeutungen des Einzelobjektes wahrnimmt,
sieht Paisley schlicht eine Problematik des Abrufs. Was er entwirft, ist nichts gerin-
geres als die Idee einer virtuell vereinigten absoluten Sammlung, die in ihrer Größe
alle bisher dagewesenen übertreffen, dabei aber zugleich jederzeit die völlige Ver-
fügbarkeit ihrer Inhalte gewährleisten können soll. Die Museumspraxis und die Mu-
seumswissenschaft tun sich indes schwer in ihrer Auseinandersetzung mit den digi-
talen Medien, und die Verbindung von Museum und Computer hat in den meisten
Fällen eher den Charakter einer holprigen Zweckehe als jenen einer Liebesge-
schichte.
Dabei ist Musealität im Internet längst allgegenwärtig geworden: Kaum ein Mu-
seum kommt noch ohne ein Online-Vorfeldangebot aus, und kaum ein Interessenge-
biet ist so obskur, dass nicht kleine, verstreute Gruppen von Enthusiasten ihm ein
eigenes Netzmuseum gewidmet hätten ˗ von Heimcomputern5 bis hin zu Sicherheits-
rasierern6. Etablierte Institute wie das J. Paul Getty Museum in Los Angeles7 oder
das Städel Museum in Frankfurt8 ermöglichen mittlerweile über ihre Homepages den
Zugriff auf weite Teile ihrer Sammlungen in Form von Abbildungen und erklärenden
Texten. Zugleich erforschen Projekte wie das Virtual Museum of Canada9 ganz be-
wusst die Möglichkeiten und Potenziale des Internets als Plattform für virtuelle Dar-
bietungen, die gar nicht länger bestehende Ausstellungen abbilden, sondern gerade
das in den Mittelpunkt stellen, was derzeit nicht physisch präsentiert werden kann.
Andererseits jedoch hat die Museologie als reflexive Wissenschaft musealer Darstel-
lungen nach einer kurzen Konjunktur des Themas in den 1990er Jahren den Einfluss
des Computers und der Vernetzung auf ihren Gegenstand nur unsystematisch thema-
tisiert.
Dabei mangelt es in absoluten Zahlen eigentlich nicht an Publikationen über vir-
tuelle Museumsprojekte. Allein die seit 1997 jährlich in einer anderen nordamerika-
nischen Stadt tagende Konferenz Museums and the Web publiziert in ihren Procee-
5 Vgl. http://www.8bit-museum.de/, vom 16.02.2016. Siehe auch Kapitel 7.3.1 dieser Arbeit.
6 Vgl. http://www.creekstone.net/razors/ vom 16.02.2016.
7 Vgl. http://www.getty.edu/museum vom 16.02.2016. Siehe auch Kapitel 7.1.1 dieser Ar-
beit.
8 Vgl. http://www.staedelmuseum.de/ vom 16.02.2016. Siehe auch Kapitel 7.1.2 dieser Ar-
beit.
9 Vgl. http://www.virtualmuseum.ca vom 16.02.2016. Siehe auch Kapitel 7.2.2 dieser Ar-
beit.
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien