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Das Museum: Ein Umriss | 37
seine Türen 1683 dem Publikum öffnete (vgl. Samida 2002: 6).3 In der Frühaufklä-
rung war die Grenze zwischen Museum und Kunstkammer aber grundsätzlich eine
fließende. Nahezu jedem frühen Museum war eine Naturalien-, Kunst- oder Wunder-
kammer vorausgegangen, deren Sammlung unverändert das Fundament der Ausstel-
lung bildete. Das entscheidende definitorische Kriterium der Museen war vielmehr,
dass sie im Gegensatz zu den Kunstkammern einem breiten Publikum zum Besuch
offenstanden. Damit gehörten sie zu einer Gruppe von Institutionen, die Jürgen Ha-
bermas in seinem Strukturwandel der Öffentlichkeit als Fokalpunkte der Entstehung
bürgerlicher Öffentlichkeiten beschreibt: Wie der Lesesaal, das Theater und das Kon-
zert waren die frühen Museen »öffentlich zugängig gewordene Gebilde der Kultur«
(Habermas 1982: 46), welche kulturelle Inhalte überhaupt erst subjektiviert disku-
tierbar machten:
Die Museeen [sic] institutionalisieren, wie Konzert und Theater, das Laienurteil über die Kunst:
die Diskussion wird zum Medium ihrer Aneignung. Die zahllosen Pamphlete, die Kritik und
Apologie der herrschenden Kunsttheorie zum Gegenstand haben, knüpfen an die Salongesprä-
che an und werden ihrerseits von diesen aufgenommen – Kunstkritik als Konversation. [...] In
dem Maße, in dem die öffentlichen Ausstellungen weitere Kreise anziehen, die Kunstwerke
mit dem breiten Publikum über die Köpfe der Kenner hinweg unmittelbar in Berührung brin-
gen, können diese zwar nicht länger ihre Position behaupten, ihre Funktion ist jedoch unent-
behrlich geworden; sie wird jetzt von der professionellen Kunstkritik übernommen. (Ebd.: 57)
Diese Charakterisierung des Museums als Katalysator für einen öffentlichen Diskurs
über die Kultur (und im Besonderen die Kunst) ist sicher nicht falsch, überakzentuiert
aber womöglich die Freiheitsgrade des Besuchers gegenüber dem didaktischen Pro-
gramm der Ausstellung. Verbunden mit ihrer Öffnung änderte sich auch der Auftrag
der früheren Wunderkammern: Hatten diese nämlich noch im Zeichen einer privaten
und weitgehend selbstbestimmten Gelehrsamkeit ihrer Besitzer gestanden, waren
Museen nun mit dem didaktischen Auftrag versehen, das soziale und kulturelle Pro-
gramm der Aufklärung in die breite Masse zu tragen (vgl. Smith 1989: 6).
An diesem kulturpolitischen Bekenntnis der Museumsstifter lässt sich das Aus-
maß des Wandels in der Bewertung der Sammlungsgegenstände ablesen, den das
Prinzip ›Kunstkammer‹ ermöglicht hatte. Museale Objekte waren zu medialen Trä-
gern gesellschaftlicher Sinnbildung geworden, denen historische Prozesse nicht nur
a priori Bedeutungen eingraviert hatten, sondern die sich auch im Hier und Jetzt mit
neuen belegen ließen. Die Museen sollten so zu Umschlagplätzen kultureller und
geistiger Bewegungen im Sinne der Eliten werden, von denen sie gestiftet wurden
3 Letzteres ging aus der Privatsammlung des britischen Politikers, Offiziers und Privatge-
lehrten Elias Ashmole hervor, welche dieser der Universität acht Jahre zuvor zur Verwen-
dung im Unterricht zur Verfügung gestellt hatte (vgl. Pomian 2007: 66).
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien