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Das Museum: Ein Umriss | 39
kristallisiert sich für Korff besonders deutlich in einem andauernden Konflikt zwi-
schen dem ästhetischen und dem historischen Prinzip in der musealen Gestaltung aus
(vgl. Korff 2002a: 113).
1.2.1 Historizität und Ästhetik als museale Strategien
Historische Museen sind für Korff solche, in denen die Entwicklung von Narrativen
über die Vergangenheit aus im Raum arrangierten Objekten im Mittelpunkt steht
(vgl. ebd.) – man denke in diesem Zusammenhang an Waidachers zuvor schon ange-
sprochene These, dass Ausstellungen in letzter Konsequenz immer Geschichten
seien, die mit Dingen erzählt werden (vgl. Waidacher 2000: 6). Dies folgerichtig um-
zusetzen macht jedoch zweierlei erforderlich: Einerseits muss den Museumsdingen
in ihrer Eigenschaft als Sinnvermittler eine sehr hohe Autonomie zugestanden wer-
den, andererseits muss auch der Fähigkeit des Publikums vertraut werden, das inten-
dierte Narrativ aus dem Objektarrangement dechiffrieren zu können. Mit beidem tue
sich der deutsche Museumsbetrieb, wie Korff anmerkt, traditionell schwer (vgl. Korff
2002a: 113). Das historische Prinzip des Museums habe seine Heimat daher eher in
Frankreich, wo es in enger Verbindung mit der Figur des Archäologen Alexandre
Lenoir (1762-1839) steht. Lenoir entwarf im späten 18. Jahrhundert ein auf die sozi-
ale Vision des revolutionären Frankreichs abgestimmtes Museumskonzept, welches
seine narrativen Strukturen dynamisch aus den ihm zur Verfügung stehenden Objekt-
beständen zu entwickeln versucht, anstatt diese in das Korsett eines vorgefassten Pro-
gramms zu zwängen. Hieraus sei eine Museumstradition hervorgegangen, die mit
ihren Exponaten vorurteilsfrei und offen umgeht und in Ausstellungsphilosophien
wie jener von Henri Rivières Pariser Musée National des Arts et Traditions Popu-
laires bis heute nachwirke (vgl. ebd.: 119).
Das ästhetische Prinzip ist dagegen laut Korff jenes, das seit dem 19. Jahrhundert
vor allem die deutsche Museumskultur prägt und in seinen Ursprüngen eng mit der
Figur Wilhelm von Humboldts und der preußischen Bildungsreform von 1806 ver-
knüpft ist. In seinem Zentrum steht eine Rückbesinnung auf das Museum als Musen-
tempel und Kultstätte der Ästhetik, und mit dieser Rückbesinnung wiederum die In-
stitution des Kunstmuseums, der alle anderen Formen von Museen nachgeordnet
sind. Das ästhetische Museum, wie Korff es beschreibt, will keine expliziten histori-
schen Erzählungen ausbreiten. Seine Aufgabe sei vielmehr, die Historizität seiner
Exponate zu verdrängen und sie überzeitlich erscheinen zu lassen – nicht als Hinter-
lassenschaften historischer Zustände, sondern als Monumente, welche diesen trotzen
(vgl. ebd.: 115). Ganz im Sinne der von Bredekamp diagnostizierten Geburt der Wun-
derkammer aus der Vision eines utopischen ›Wissensraumes‹ heraus, beschreibt
Korff auch das Ideal der ästhetischen Museumskonzeption als einen Raum, der die
aufgeklärte Empfindsamkeit seiner Besucher schon aus seiner bloßen Anlage heraus
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien