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Das Museum: Ein Umriss | 41
sammeln Museen keine diskreten, sinnhaft geschlossenen Texte. Ihre Ausstellungs-
stücke sind, jedes für sich allein genommen, nahezu nichtssagend. Zu ›erzählen‹ be-
ginnen die Dinge erst über ihre Einbindung in den Kontext des Museums selbst. Sie
sind also epistemisch offen, und als Träger von Bedeutungen macht sie dies paradox-
erweise gleichzeitig sowohl formbar als auch sperrig.
1.2.3 Zeichenträger und Gedächtnisorte
Museumsdinge4 sind, wie Krzysztof Pomian feststellt, eine ganz absonderliche
Klasse von Gütern: Sie erfüllen weder den Zweck, für den sie ursprünglich einmal
geschaffen wurden, noch sind sie im eigentlichen Sinne ›dekorativ‹. Die Museen, die
ihren Besitz anstreben, schlagen aus ihnen üblicherweise keinen großen ökonomi-
schen Gewinn und können sich glücklich schätzen, wenn sie einigermaßen kostende-
ckend zu wirtschaften imstande sind. Dennoch werden Museumsdinge unter großem
finanziellen, personellen und zeitlichen Aufwand gehegt und gepflegt. Ihnen wird ein
beträchtlicher Wert beigemessen, mit dem es sich spekulieren lässt und der sich auf
dem Schwarzmarkt in hohe Preise übersetzen kann (vgl. Pomian 2007: 14f.). Im
Sinne der marxistischen Wirtschaftstheorie sind sie also anomale Güter, die einen
hohen Tauschwert mit einem praktisch nicht vorhandenen Gebrauchswert verbinden
(vgl. ebd.: 17) – und damit unweigerlich die Frage aufwerfen, welche Merkmale sie
aufweisen, auf die sich ihr Tauschwert gründet.
Pomians Antwort auf diese Frage ergibt sich aus dem medialen Charakter der
Museumsdinge. Für ihn zählen sie zu einer Klasse von Gütern, deren einzige Aufgabe
es ist, kulturelle Bedeutungen zu transportieren. Er bezeichnet solche Objekte als
»Semiophoren« – Zeichenträger (vgl. Pomian 2007: 50). Ihr wirtschaftlicher Wert
gründet sich auf ihre Eigenschaft, materielle Brücken zum Abstrakten zu sein, oder,
um Pomians eigene Terminologie aufzugreifen, zwischen »Sichtbarem« und »Un-
sichtbarem« zu vermitteln (ebd.: 41ff.). Pomians ›Unsichtbares‹ ist dabei ein Abwe-
sendes im weitesten Sinne: das Historische und Vergangene, das Heilige und Göttli-
che, oder auch einfach nur das geographisch weit Entfernte (vgl. ebd.).
Diese Referenzialität wiederum ist notwendigerweise das Produkt der musealen
Arbeit selbst. Im Museum werden aus »Dingen der Vergangenheit« »Dinge für uns«
(Korff 2002b: 141). Es ersetzt das »So-Sein« der Objekte durch ein »Für-uns-Sein«
(Waidacher 2000: 4). Museale Objekte sind aus ihren Entstehungszusammenhängen
notwendigerweise herausgefallen und werden im Museum in neue Bedeutungskon-
texte einsortiert, die für ein modernes Publikum anschlussfähig sein müssen. Grütter
4 Mit dem Begriff des ›Museumsdings‹ benennt Gottfried Korff jene Objekte, welche den
Prozess der Musealisierung durchlaufen haben (vgl. Korff 2002b).
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien