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würde entsprechend mit der Beendigung seiner Existenz als fortlaufendes ›Gesche-
hen‹ einhergehen. Tatsächlich aber betrachtet Rheinberger den Sinngehalt epistemi-
scher Gegenstände als nie im strengen Sinne abschließbar. Sobald ein Experimental-
system einmal läuft, neigen sowohl die epistemischen als auch die technischen Dinge
zu Verselbstständigungen und unvorhergesehenen Rollenverschiebungen:
Das [obige] Paradox löst sich dadurch, daß die Wechselwirkungen zwischen epistemischen
Dingen und technischen Bedingungen in hohem Maße nicht-technisch sind. Wissenschaftler
sind vor allem »Bastler«, Bricoleure, weniger Ingenieure. In seinem nicht-technischen Charak-
ter transzendiert das Experimentalensemble die Identitätsbedingungen der technischen Ob-
jekte, die es zusammenhalten. Auf der Seite der Technik finden wir schließlich ein analoges
Prinzip. Gängig verwendete Werkzeuge können im Prozeß ihrer Reproduktion neue Funktio-
nen annehmen. Geraten sie in Zusammenhänge, die über ihre ursprüngliche Zwecksetzung hin-
ausgehen, so können Eigenschaften an ihnen sichtbar werden, die bei ihrem Entwurf nicht be-
absichtigt waren. (Ebd.: 33f.)
Assmanns Konzept der ›wilden Semiose‹ und Rheinbergers Ausarbeitungen zu Ex-
perimentalsystemen greifen an dieser Stelle auf bemerkenswerte Weise ineinander
und erlauben es uns, das Funktionieren und Entgleiten von Sinnstiftungsprozessen in
musealen Anordnungen auf zwei verschiedenen und gleichermaßen relevanten Ebe-
nen zu beschreiben. Assmann akzentuiert die Fallstricke der individuellen physiog-
nomischen Dingwahrnehmung und das Problem einer möglichen Nichtinterpretier-
barkeit materieller Objekte. Rheinberger hingegen liefert ein Modell für die Entste-
hung von Bedeutungen aus technischen Arrangements von Dingen und Konzepten
und wirft zugleich die Frage nach der Beherrschbarkeit solcher Arrangements auf.
Während ein schriftlicher Text naturgemäß immer einen Leser adressiert, der mit sei-
nem Schriftsystem und seiner Sprache vertraut ist, müssen im Museum Mediensys-
tem und kommunizierte Botschaft gleichzeitig und in wechselseitiger Abhängigkeit
von Besuchern entschlüsselt werden, die zugleich auch noch ihre eigenen Vorurteile
und Erfahrungshorizonte an die Ausstellung herantragen (vgl. Grütter 1997: 672).
Dieses Element des Sozialen im Museum soll im Unterkapitel über den ›Raum‹ noch
genauer behandelt werden.
1.2.6 »Nouophoren«
Mit der nunmehr sichtbar gewordenen Abhängigkeit der Vermittlungsqualität muse-
aler Objekte von ihrer wechselseitigen Bezüglichkeit sowohl untereinander als auch
mit dem Museum selbst erscheint ihre Charakterisierung als Zeichenträger oder Se-
miophor entschieden unzureichend. Ziehen wir hierzu noch einmal die Zeichentheo-
rie Günter Abels heran: Abel begreift die Bedeutung eines Zeichens immer als das
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Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien