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ist für Scheer ein der Sprache verwandtes Sich-Äußern. Bauen heißt: Räume schaf-
fen, in denen Menschen ›sein‹ können. Damit ist jedes Bauwerk eine Artikulation
menschlichen Daseins schlechthin. Der Mensch wird sich gemäß dieser Deutung sei-
nes Seins erst bewusst, indem er es bauend verortet (Scheer 2000: 237).
1.3.2 Der Raum in der Museumswissenschaft
Ähnlich wie Architekten sind auch Museumskuratoren auf der grundsätzlichsten
Ebene ihrer Tätigkeit Gestalter von Räumen, bzw. von Zeichensetzungen im ansons-
ten qualitätslosen Raum. Wie allerdings der Ausstellungsmacher Stefan Paul in ei-
nem Aufsatz aus dem Jahre 2005 bemängelt, leiden Museums- und Ausstellungs-
schaffende häufig an einer gewissen Betriebsblindheit für die Kategorie ›Raum‹ als
Grundbedingung ihrer Arbeit. Diese äußere sich vor allem darin, dass die Museologie
bisher kaum systematisch-theoretische Ausarbeitungen zu diesem Thema hervorge-
bracht habe:
Jeder arbeitet mit dem Raum, aber keiner redet darüber. Auch der Fakt, das Ausstellungen und
Museen im Unterschied zu vielen anderen vermittelnden Medien physisch zu begehen sind,
wird in der Regel übersehen. (Paul 2005: 341)
Besonderen Nachholbedarf sieht Paul hier in der deutschen Museumswissenschaft,
die traditionell (und, so darf man hinzufügen, wohl gerade aufgrund des Ursprungs
der modernen deutschen Museumskultur im humboldtschen Kunstmuseum) ihren
Blick fast ausschließlich auf das individuelle Exponat als Träger musealer Inhalte
richtet. Eine viel größere Sensibilität für den Raum schreibt er dagegen der anglika-
nischen Museologie zu – als Ergebnis einer in den 1960er und 70er Jahren durch die
Kommunikationstheorie Marshall McLuhans angestoßenen Debatte über Kommuni-
kationsgefüge im Museum, die letztlich den Blick auf dessen räumliche Bedingtheit
lenken musste (vgl. Paul 2005: 342).
Pauls Plädoyer für eine Schärfung des museologischen Blickes auf den Raum
verlangt dabei gar nicht nach einer Ontologisierung, wie sie Scheer betreibt. Viel-
mehr interessiert sich Paul für ganz konkrete museale Raumkonzepte und die kom-
munikativen Zusammenhänge, die sie zwischen Objekten und Besuchern herstellen.
Als ein naheliegendes Beispiel führt er repräsentative Museumsbauten des 19. Jahr-
hunderts wie die Alte Nationalgalerie in Berlin an, die in ihrer architektonischen An-
lage antike Tempel (und damit eben den Ursprung des Museums überhaupt) zitieren:
Sie führen ihre Besucher durch eine Serie von Räumen immer tiefer in ihr zentrales
»Heiligtum« (ebd.: 344). Dies bewerkstelligen sie, indem sie sie über einen imposan-
ten, häufig mit Treppenaufgang versehenen Eingangsbereich in Empfang nehmen,
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien