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Das Museum: Ein Umriss | 63
Texte sind für Certeau also Orte, geometrisch klar lokalisierbar in den Positionen von
Buchstaben auf Papier, aus denen das Lesen einen Sinnraum entstehen lässt. Folge-
richtig wäre auch das Museum ein Ort, der im Akt des Besuches zum Raum gemacht
wird. Beat Hächler indes beobachtet im klassischen Museumskonzept (das in Came-
rons Diktion dem Modell ›Tempel‹ entspricht) eine Überbetonung der Kategorie
›Ort‹ bzw. ein kuratorisches Misstrauen gegenüber dem rezipientenseitigen Ver-
räumlichungsvorgang. Die soziale Szenographie (welche nach Cameron unter die
Modalitäten des ›Forums‹ einzuordnen wäre) soll daher ausdrücklich ein Paradigma
des ›Raumes‹ stark machen, weil hier die Ausstellung prozesshaft von den Besuchern
geschaffen werde, die sie erleben (vgl. Hächler 2011: 138f.).
Insofern ist soziale Szenographie ein Antizipieren von interpersonellen Prozes-
sen, verbunden mit dem Versuch, sie über Raumkonzepte zu befördern und ihnen
einen Kontext zu geben. Hächler nennt fünf Methoden, mit denen sie dies tut: »Per-
sonalisierung«, »Selbstbefragung«, »Partizipation«, »Dialogische Interaktion« und
»Exponierung« (ebd., 142ff.).
Personalisierung schafft laut Hächler die »Benutzeroberfläche für Identifikation«
(ebd.: 142). Sie meint, den von der Ausstellung thematisierten Phänomenbereichen
personale Qualitäten aufzuerlegen und es damit den Besuchern zu erlauben, sie auf
sich selbst zu beziehen und als für ihr eigenes Leben bedeutsam zu erkennen (vgl.
ebd.).
Unter dem Aspekt der Selbstbefragung wird verstanden, dass ein Museum lau-
fend nachhalten solle, wie sein Publikum die Ausstellung erlebt – und zwar explizit
indem es seine Besucher ermutigt, sich zu ihr zu äußern. Zugleich aber muss eine
Selbstbefragung auch beim Publikum angestoßen werden: Die Ausstellung soll sie
zwingen, ihre eigenen Prämissen zu hinterfragen und sich damit der Warte bewusst
zu werden, aus der sie ihr gegenübertreten. Es gilt also in sozialen Szenographien
stets, den Besucher herauszufordern und ihn über die Grenzen seiner üblichen Kom-
fortzonen hinauszulocken (vgl. ebd.: 142f.).
Der Faktor Partizipation beschreibt eine Demokratisierung des Museumsbetrie-
bes, indem Besucher bereits in die Gestaltung von Ausstellungen mit eingebunden
werden. Dies könnte z.B. in Form eines Angebotes geschehen, dem Museum Aus-
stellungsstücke zukommen zu lassen, welche die Besucher für sich selbst als signifi-
kant empfinden (vgl. ebd.: 143).
Unter ›dialogische Interaktion‹ fallen für Hächler all jene Gespräche, welche eine
soziale Szenographie innerhalb eines Ausstellungsraumes anstößt. Das Museum soll
Besucher dazu bringen, sowohl miteinander als auch mit dem Museumspersonal zu
sprechen (vgl. ebd.: 144).
Mit dem Begriff der ›Exponierung‹ schließlich beschreibt Hächler die bereits an-
gesprochene Zielsetzung sozialer Szenographie, den Besucher selbst zum Teil der
Ausstellung zu machen. Exponierung meint, dem Publikum und dem ganzen Spekt-
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien