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Dinge – Nutzer – Netze - Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
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64 | Dinge – Nutzer – Netze rum seines Verhaltens in der musealen Anordnung selbst Exponatscharakter zu ver- leihen, oder kurz: die Besucher immer auch füreinander in Szene zu setzen (vgl. ebd.: 145). Eine Extremform des Museums als Aushandlungs- und Etablierungsraum für so- ziale Gefüge und Verhältnisse beschreibt die Kuratorin Angela Jannelli mit jener des »wilden Museums« (Jannelli 2011: 165). Gemeint sind hiermit in erster Linie Ama- teurmuseen, wobei die Terminologie Claude Lévi-Strauss᾿ Konzept des »wilden Denkens« aufgreift. Genau wie Strauss es ablehnte, die mentalen Weltordnungen von Naturvölkern als unterentwickelte Vorstufen des europäisch-modernen wissenschaft- lichen Denkens zu begreifen, will Jannelli das Amateurmuseum nicht als Vulgärform des professionellen verstanden wissen, sondern als eine eigene und legitime Erschei- nungsform dessen, was Museen sein können (vgl. ebd.). Wilde Museen nach Jannelli zeichnen sich in erster Linie durch ihre sozialen Funktionen aus: Sie werden von freiwilligen Gemeinschaften getragen und sind da- mit zugleich die Fixsterne, um welche herum diese Gemeinschaften überhaupt erst entstehen. Ihre Sammlungen sind entsprechend nicht das Ergebnis eines geordneten Erwerbs von Exponaten im Sinne eines strukturierten thematischen Überentwurfs, sondern vielmehr Anhäufungen von Spenden ihrer Konstituenten, deren Zusammen- halt oberste Priorität ist. Wilde Museen nehmen Objekte zuerst einmal in die Samm- lung auf, bevor nach ihrem Ausstellungswert gefragt wird – häufig auch einfach, um die Menschen, die sie vorbeibringen, nicht enttäuschen zu müssen. Die vom Exponat getragene Bedeutung ist entsprechend nicht zuvorderst eine didaktische. Objekte sind Träger von Beziehungen zwischen dem Museum und der Gemeinschaft, die es stützt (vgl. ebd.: 166). Für Jannelli manifestiert sich hier eine Form des vom französischen Soziologen und Anthropologen Marcel Mauss beschriebenen Rituals des ›Gabentau- sches‹ (vgl. Mauss 1990). Die Schenkungen an das Museum, so ihre These, lassen in ihm soziale Räume entstehen und ermöglichen weitere Interaktionen zwischen den Spendern. Weil das Ablehnen eines Objektes zugleich der Negierung einer zwischen- menschlichen Beziehung entspricht, trennen wilde Museen ihren Fundus meist nicht von der Ausstellung: Um niemanden auszugrenzen, wird nach Möglichkeit die ganze Sammlung auf einmal präsentiert (vgl. Jannelli 2011: 167). Hier sieht Jannelli zugleich auch das große Konfliktpotential zwischen Muse- umsamateuren und Museumsfachleuten. Letztere nämlich seien typischerweise dazu ausgebildet, Museumsdinge als konzise Sinnträger stark zu machen und sie (soweit eben möglich) aus personenbezogenen Kontexten herauszulösen. Das wilde Museum stellt dagegen gerade die Personen in den Mittelpunkt, welche die Ausstellung er- möglicht haben und deren Beziehungsgeflecht sie abbildet (vgl. ebd.). Im professio- nellen Museum werde das Objekt als Zeichen gedacht, im wilden dagegen als »Sym- bol« (ebd.: 168), das professionelle möchte seinen Exponaten möglichst eindeutige Verweisbeziehungen auferlegen, das wilde möglichst vielfältige (vgl. ebd.). Entspre-
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Dinge – Nutzer – Netze Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
Titel
Dinge – Nutzer – Netze
Untertitel
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
Autor
Dennis Niewerth
Verlag
transcript Verlag
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-4232-6
Abmessungen
14.8 x 22.5 cm
Seiten
428
Schlagwörter
Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
Kategorie
Medien
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