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Dinge – Nutzer – Netze - Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
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Das Museum: Ein Umriss | 65 chend befinden sich wilde Museumsausstellungen auch ständig im Zustand der Ver- änderung und hören niemals auf, zu entstehen – sie wandeln sich mit jedem Eintru- deln eines neuen Exponates (vgl. ebd.: 170f.). Damit sind wilde Museen auch immer von epistemischer Unschärfe gekennzeich- net. Die Frage nach einem für sich selbst stehenden Objekt stellt sich für sie gar nicht erst. Wilde Museen sind als soziale Orte meist darauf ausgelegt, unter der Anleitung ihrer Verantwortlichen in Führungen erlebt zu werden. Sie sind, so Jannelli, nicht etwa Orte, an denen Objekte sprechen, sondern Orte, die das Sprechen über Objekte, das »Erzählen über Dinge« (ebd.: 168) ermöglichen sollen. Das Funktionieren musealer Ausstellungen beschreibt Jannelli interessanterweise mit den filmwissenschaftlichen Termini »Story« und »Plot«9. In der Filmwissen- schaft bezeichnen diese Begriffe zwei Ebenen, auf denen ein Film seine Handlung entfaltet. Seine Story ist die chronologische Abfolge der Ereignisse. Der Plot hinge- gen ist die Art, wie uns diese Ereignisse präsentiert werden und damit also die tat- sächliche narrative Umsetzung der Story. Der Plot muss dabei nicht der Chronologie der Story folgen (ebd.: 170). Quentin Tarantinos Gangsterfilm Pulp Fiction beispiels- weise spaltet seine Handlung in Einzelepisoden auf, welche dem Zuschauer in chao- tischer Reihenfolge präsentiert werden und ihn vor die Herausforderung stellen, selbst herausfinden zu müssen, in welchem zeitlichen Verhältnis sie zueinander ste- hen. Der Plot von Orson Welles᾿ Hauptwerk Citizen Kane beginnt kurz vor dem Ende seiner Story – nämlich mit dem Tod des Protagonisten, dessen Lebensgeschichte da- nach in Rückblenden erzählt wird. Um beim Schauen eines Filmes vom Plot zur Story zu gelangen, ist also mitunter eine intellektuelle Anstrengung des Rezipienten von- nöten – und ganz ähnlich verhält es sich in Museen, deren materielle Oberfläche ja immer erst durch Interpretation die ihr zugrunde gelegte Meistererzählung preisgibt. Das häufig prekäre Verhältnis von Story und Plot werde laut Jannelli besonders deutlich in solchen Museen, welche wie eben die ›wilden‹ ihre soziale Komponente besonders in den Mittelpunkt stellen. Denn wenn eine Ausstellung in ihrem Objekt- bestand nicht scharf einzugrenzen ist, dann verschiebt sich das Plotting notwendiger- weise immer weiter in den Bereich der Führung und Anleitung durch das Museums- personal. Dies könne mitunter zu einer erheblichen Entkopplung zwischen derjenigen Story führen, welche sich die Besucher beim alleinigen Erforschen eines wilden Mu- seums erschließen würden, und jener, welche aus dem Plot der Führung hervorgeht (vgl. Jannelli 2011: 170). Daraus lässt sich ableiten: Auf epistemischer Ebene werden Museen nicht notwendigerweise offener, nur weil ihrem Aufbau keine umfassende didaktische Konzeption zugrunde liegt. Vielmehr kann der Verlust konziser Interpre- tierbarkeit der Objekte dazu führen, dass die Ausstellung nur mehr sozial erfahrbar 9 Die Film- und Medienwissenschaft zieht diesen häufig die weitgehend gleichbedeutenden, dem russischen Formalismus entstammenden Begriffe ›Fabel‹ und ›Sujet‹ vor (vgl. Propp 1972: 27).
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Dinge – Nutzer – Netze Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
Titel
Dinge – Nutzer – Netze
Untertitel
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
Autor
Dennis Niewerth
Verlag
transcript Verlag
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-4232-6
Abmessungen
14.8 x 22.5 cm
Seiten
428
Schlagwörter
Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
Kategorie
Medien
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