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Netz und Virtualität | 95
werden. So ist z.B. die Wikipedia zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Zeilen im
Sommer 2013 in 286 Sprachen verfügbar und umfasst über 30 Millionen einzelne
Artikel, von denen allein 4,2 Millionen auf die englische Version entfallen. Wikipe-
dias Hardwareumfang lässt sich indes in deutliche kleineren Zahlen ausdrücken: Bis
2004 lief das ganze Projekt noch auf einem einzigen Computer, seit 2009 besteht der
materielle Unterbau der freien Online-Enzyklopädie aus 344 Einzelservern. 44 hier-
von stehen in Amsterdam, die übrigen 300 befinden sich in Florida.4
Beim Surfen ist der Nutzer also in der paradoxen Situation, dass ihm ein abstrak-
tes Netz konkret gegenübertritt, während das konkrete Netz unsichtbar bleibt und im
Grunde nur abstrakt zu erahnen ist. Dies unterstreicht abermals Sherry Turkles Bild
vom PC als postmoderner Meta-Maschine: Das materielle ist das Un-Eigentliche und
damit die Domäne der Virtualität, während Aktualitäten immer erst in der Simulation
entstehen. Was für den einzelnen Rechner gilt, bleibt wahr für Agglomerationen von
Computern in Netzwerken. Die kulturelle Wirkungs- und Rezeptionsdimension vir-
tueller Medien ist auf der Ebene der Hardware ebenso wenig zu erklären wie auf jener
des Codes allein. Wissen, Affekt und ästhetischer Eindruck entstehen eben auf der
Ebene des Interfaces, welches die Schnittstelle zwischen kultureller Welt und un-
sichtbaren Rechenprozessen bildet. Uns wird im Folgenden daher die Vernetzung
von Textfragmenten in Form von Webseiten interessieren, und nicht etwa die Archi-
tektur der darunterliegenden Hardware.
2.3 HYPERTEXT
Wer heute davon spricht, ›im Internet‹ zu surfen, der meint damit im Allgemeinen
das Anfang der 1990er Jahre vom englischen Computerwissenschaftler Tim Berners-
Lee erfundene World Wide Web, dessen funktionale Grundlage von der Auszeich-
nungssprache HTML (Hypertext Markup Language) und dem Anwendungsprotokoll
HTTP (Hypertext Transfer Protocol) gebildet wird. Während HTML das Erstellen
verlinkter Websites ermöglicht, stellt HTTP die Schnittstelle dar, über welche diese
Seiten von Client-Programmen (wie z.B. einem Browser) abgerufen, ›verstanden‹
und ggfs. im Interface aktualisiert werden können. Der erste auf den Endnutzer zu-
geschnittene HTML-Editor wurde 1990 frei und unentgeltlich verfügbar gemacht
(vgl. Krameritsch 2008: 119) und leitete nicht nur den Siegeszug des WWW ein,
sondern mit ihm auch den einer Organisationsform von Wissen, deren Geistes- und
Theoriegeschichte bis in die frühe Neuzeit zurückreicht und die schließlich zum be-
stimmenden Paradigma des Informationszeitalters werden sollte: jener des Hypertex-
tes.
4 Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia#Software_and_hardware vom 01.07.2013.
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien