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Das Wort ›Hypertext‹ wurde in den 1960er Jahren vom Soziologen Theodore
Holm Nelson geprägt (vgl. ebd.: 117) und fällt in gedruckter Form erstmals in einem
1965 erschienenen Paper mit dem Titel A File Structure for the Complex, the Chan-
ging and the Indeterminate:
Let me introduce the word »hypertext« to mean a body of written or pictorial material inter-
connected in such a complex way that it could not conveniently be presented or represented on
paper. It may contain summaries, or maps of its contents and their interrelations; it may contain
annotations, additions and footnotes from scholars who have examined it. Let me suggest that
such an object and system, properly designed and administered, could have great potential for
education, increasing the student᾿s range of choices, his sense of freedom, his motivation, and
his intellectual grasp. Such a system could grow indefinitely, gradually including more and
more of the world᾿s written knowledge. However, its internal file structure would have to be
built to accept growth, change and complex informational arrangements. (Nelson 2003: 144)
Hypertexte sind also modular aufgebaute Texte, die nicht etwa wie klassische litera-
rische von vorne nach hinten zu lesen sind, sondern deren Einzelelemente weitgehend
frei arrangiert und sequenziert werden können und ein dieser Eigenschaft entspre-
chendes technisches Fundament benötigen. Hintergrund für Nelsons Interesse an die-
ser medialen Form war eine Unternehmung, die zwar unverwirklicht bleiben sollte,
dabei aber nichtsdestoweniger zukunftweisend war: Wenige Jahre zuvor hatte er das
ambitionierte Project Xanadu begründet, dessen erklärtes Ziel die Schaffung eines
universellen »Dokuversums« (Krameritsch 2007: 117) war. In diesem sollte die Ge-
samtheit der menschlichen Kulturgüter archiviert, hypertextuell verknüpft und nach
Möglichkeit für jedermann abrufbar gemacht werden. Interessanterweise sah Nelson
dabei Computer nicht als notwendige Bedingung für die Entstehung einer solchen
universellen Datenbank an, sondern lediglich als das offensichtlichste und nahelie-
gendste Instrument, um die physische Abwesenheit des ursprünglichen Materials zu
überbrücken. Hierbei spielte gerade das Meta-Maschinelle und damit effektiv Multi-
mediale des Rechners eine Rolle: Mit ihm sollten sich Text und Bild auf dynamische
Weise miteinander kombinieren lassen, um der Vielgestaltigkeit des Materials ge-
recht zu werden (vgl. ebd.: 117f.).
2.3.1 Frühe Formen
Tatsächlich hatte der digitale Hypertext aber schon lange vor der Einführung des Be-
griffs analoge Vorgänger: Jakob Krameritsch verweist hier u.a. auf den Deutschen
Victor Vogt, dessen 1922 erschienene Schrift Die Kartei, ihre Anlage und Führung
die chronologische Linearität und Abgeschlossenheit schriftlicher Aufzeichnungen
im Buchformat bemängelte und ihnen die Kartei als ein den physikalischen Raum
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien