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ausgemachten ›Trails‹ erst, wenn ein Abrufsystem wie Memex (oder in weniger raf-
finierter Form auch der Schlagwortkatalog einer Bibliothek) diesen Rahmen des Le-
sens und Querlesens herstellt. Welche impliziten Texte dann tatsächlich aktualisiert
werden, hängt wiederum vom Leser ab.
2.3.3 Das virtuelle Moment textueller Vernetzung
Hypertexte sind also hochgradig virtuelle Erscheinungen, und zwar unabhängig da-
von, ob ihr technischer Unterbau von Zettelkästen, analogen Maschinen oder Aus-
zeichnungssprachen gebildet wird, die Computerbrowsern den Aufbau von Websei-
ten diktieren. Und was für vernetzte Textfragmente gilt, lässt sich auf alle Netzwerke
ausdehnen: Sie sind vor allem zweidimensionale Entfaltungsräume des Möglichen.
Ein Schreibsystem wie der Hypertext schafft Virtualitäten, indem es Vektoren des
Miteinanders zwischen Entitäten etabliert und das Nacheinander serialisierter Inhalte
zu einem Nebeneinander auffächert. Ob dieses Neben- und Miteinander wiederum
jemals zur Aktualität gelangt, steht auf einem anderen Blatt ‒ das Format als solches
schafft lediglich die Option zur Auslotung von Möglichkeiten (Moulthrop 1995:
302f.).
Wiewohl der Hypertext mittlerweile auch für die geistes- und kulturwissenschaft-
liche Auseinandersetzung mit den ›neuen Medien‹ eine unerlässliche theoretische
Kategorie geworden ist, blieb er noch bis in die 1980er Jahre vornehmlich ein Begriff
der Computer- und Informationswissenschaft. Dass seine Entdeckung als ›literari-
sches‹ Konzept ausgerechnet in die Zeit der rasanten Ausbreitung von Personalcom-
putern in Büros und Privathaushalten fiel, ist durchaus kein Zufall: Computer muss-
ten erst einmal das Alltagsleben und vor allem den akademischen Betrieb selbst
durchdrungen haben, um als Kulturphänomene erkennbar zu werden (vgl. Aarseth
1995: 51f.).
Dabei macht der Gebrauch von Computern und Computernetzwerken als Tech-
nologie zu seiner Übertragung aus einem Text noch keinen Hypertext ‒ wie anders-
herum Hypertexte ja auch durchaus außerhalb digitaler Medien in Erscheinung treten
können. Viele über das World Wide Web verbreitete Schriften sind vielmehr das,
was Jakob Krameritsch als »E-Texte« (Krameritsch 2007: 127) bezeichnet: Sie wer-
den zwar in elektronisch-digitaler Form verbreitet, weisen aber ansonsten alle Merk-
male klassischer, linearer Texte auf.5 Hypertexte sind hingegen, wie Roberto Sima-
nowski betont, notwendigerweise multi- (und nicht etwa non-)linear: Sie sind zwar
5 Mike Sandbothe zufolge ist das Projekt ›Hypertext‹ sogar so lange nicht wirklich abge-
schlossen, wie es sich in der Modularisierung von Textkörpern erschöpft, die dann in der
Rezeption doch wieder zu linearen Ketten arrangiert werden. Seiner Ansicht nach bräuch-
ten wir zusätzlich zum Hypertext als Organisationsform für Schriftkörper auch eine ganz
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien