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Netz und Virtualität | 103
so angelegt, dass sie als fortlaufende und sich geradlinig entwickelte Textstränge re-
zipiert werden können, aber diese Stränge sind wiederum stets das Ergebnis eines
Auswahlprozesses unter verschiedenen möglichen Sinnfragmenten (vgl. Simanowski
2002: 15f.). Hypertexte lassen ihre zweidimensionale Anlage bei nur einmaligem Le-
sen nicht sichtbar werden, bzw.: In ihrer Gänze als Textnetzwerke wären Hypertexte
gar nicht sinnhaft zu rezipieren. ›Sinn‹ entsteht im Hypertext vielmehr immer erst in
der ›Bewegung‹ des Rezipienten entlang eines ›trail of interest‹, der den einzelnen
Texteinheiten kontingente Zusammengehörigkeit verleiht und nur ganz bestimmte
ihrer zahlreichen möglichen Bedeutungen aktualisiert, wobei ›unpassende‹ Textbau-
steine ausgelassen werden. Im Ergebnis erlebt der Hypertext-Leser also durchaus die
Entstehung eines linearen Textes, der allerdings immer anders hätte aussehen kön-
nen.
Die digitalen Hypertexte des World Wide Web sind indes nicht nur multilinear,
sondern obendrein auch noch intermedial: Sie bedienen sich nicht nur der Virtualität
der Vernetzung, sondern auch jener des Computers als Meta-Maschine. Sie bestehen
eben nicht nur aus vernetzten Textkomponenten, sondern auch aus Bildern, Videos,
Klängen, Spielen, usw. Diese unterschiedlichen medialen Bausteine stehen nach Si-
manowski ausdrücklich nicht nur nebeneinander (weshalb er hier auch den Begriff
der bloßen ›Multimedialität‹ zurückweist), sondern sie bilden für ihn »konzeptuelle
Integrationen« (ebd.: 18) die innerhalb eines epistemischen und dramatischen Kon-
strukts ineinandergreifen. Hypertexte sind also die Summe ihrer Teile plus der
Summe ihrer Virtualitäten, und Letztere steigt ungemein, wenn sich zum schriftli-
chen Text noch andere mediale Ausdrucksformen gesellen.6
2.3.4 Die Grammatik der Verlinkung
Jakob Krameritsch sieht auch im ›Link‹ eine Eigenart digitaler Hypertexte, welche
sie von analogen unterscheidet. Natürlich arbeiten auch Zettelkästen mit Querver-
weisen. In der Textgattung der Enzyklopädie wird gar eine hypertextuelle Funktio-
nalität mit dem gebundenen Buch zusammengeführt: Zwar sind die einzelnen Artikel
neue Sprache, die uns ein zweidimensionales, nonlineares Schreiben gestattet (vgl. Sand-
bothe 1997: 74f.).
6 Lev Manovich unterscheidet aus diesem Grund zwischen den Kategorien Hypertext und
Hypermedia: Hypermedia bezeichnet hier eine flache Linkstruktur, die unterschiedliche
Dokumentenformate assoziativ miteinander vernetzt, während Hypertext als eine be-
stimmte Untergattung von Hypermedia definiert ist, die sich einzig auf schriftliche Text-
bausteine stützt (vgl. Manovich 2002: 38). Manovichs herausragender Bedeutung als The-
oretiker digitaler Medien zum Trotz hat diese Unterscheidung niemals allgemeine Gültig-
keit beanspruchen können, und auch die vorliegende Arbeit meint mit Hypertext sowohl
rein schriftbasierte als auch intermedial vernetzte Sinngefüge.
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien