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[...] a hypertext corpus of enormous complexity, and it continues to expand at a phenomenal
rate. Moreover, it can be viewed as an intricate form of populist hypermedia, in which millions
of on-line participants, with diverse and often conflicting goals, are continuously crafting hy-
perlinked content. Thus, while individuals can impose order at an extremely local level, its
global organization is utterly unplanned – high-level structure can emerge only through a pos-
teriori analysis. (Kleinberg 1998: 1)
Das WWW ist also ständig im Werden begriffen und dementsprechend nicht einzu-
grenzen oder auch nur sinnvoll zu unterteilen ‒ es ist schwierig geworden, von Hy-
pertexten überhaupt noch im Plural zu sprechen, weil im Netz jeder Hypertext mit
jedem anderen verbunden ist und ihre Peripherien kaum mehr zu bestimmen sind. Im
Ergebnis erscheint das Netz als ein einziger, kolossaler Hypertext, der sich darüber
hinaus laufend in Inhalt und Aufbau verändert. Auch längst ›kartierte‹ Bereiche des
Webs können sich beim nächsten Besuch schon wieder gewandelt haben. Kra-
meritsch sieht aus diesem Grunde in digitalen Hypertexten eine Form von flüchtigen
Medien: Sie kennen keine unveränderlichen Endprodukte und verteilen Autorschaft
dezentral unter potenziell extrem großen und weit verstreuten Akteurskonstellationen
(vgl. Krameritsch 2007: 38).
Dieses Zusammenspiel von verschwimmender personaler Autorenrolle einerseits
und Verlust der Abschließbarkeit andererseits erscheint ›postmodern‹ auch insofern,
als dass es jede zwingende Dramaturgie von Anfang, Mitte und Schluss verwirft ‒
und mit ihr die Idee, jede textuelle ›Geschichte‹ müsse einem eindeutigen Ende ent-
gegeneilen. Seit Aristoteles begreift die westliche Literaturtheorie das Ende als das
eigentliche Moment literarischer Sinnstiftung: Der Anfang einer Geschichte sei frei
wählbar und völlig der Willkür des Dichters unterworfen, das Ende aber die zwin-
gende Kulmination all der Entwicklungen, die ihm vorangehen (vgl. Aristoteles
2014: 25). Insofern wirft das Ende stets den Schatten seines unausweichlichen Ein-
tretens voraus, und unabhängig davon, ob es unsere Erwartungen bestätigt oder sub-
vertiert, wird die Geschichte erst mit ihrem Abschluss interpretierbar (Douglas 1995:
160f.). In der postmodernen Literatur ‒ wie z.B. den Werken Thomas Pynchons ‒
wurde mit dieser Tradition häufig insofern gebrochen, als dass man sich der Kontin-
genzbewältigung völlig verweigerte: Das ›Ende‹ des Buches erschöpft sich hier oft
in der profanen physischen Realität des Buchdeckels, der die einzige Schlussmarkie-
rung darstellt. Narrative Geschlossenheit wird nicht angeboten, das Ende ist nur mehr
der letzte Abschnitt eines linearen Textkörpers, dem keine herausgehobene Bedeu-
tung gegenüber den ihm vorausgegangenen mehr zukommt (vgl. ebd. 1995: 164).
Der konzeptionelle Ansatz des Hypertextes indes widersetzt sich auch diesem Para-
digma der Sinnverweigerung.
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien