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Dinge – Nutzer – Netze - Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
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116 | Dinge – Nutzer – Netze weiß sein werden. Dies wäre deduktives Denken. Habe ich ein Säckchen vor mir, dessen Inhalt ich nicht kenne, so kann ich immer wieder hineingreifen – die erste Handvoll wird beweisen, dass es weiße Bohnen enthält, und jede weitere Hand mich in der Überzeugung bestärken, dass es nur diese und nichts anderes (z.B. schwarze Bohnen) enthält. Dies wäre ein induktives Vorgehen. Eco hält den Leser nun an, sich vorzustellen, er fände auf einem Tisch ein geschlossenes Säckchen unbekannten In- halts und daneben ein Häufchen weißer Bohnen. Das Vorhandensein der Bohnen in räumlicher Nähe des Säckchens gilt es, sinnhaft zu machen – und zwar mittels einer Konjektur. Diese ist bei Eco das »hypothetische Gesetz« (Eco 2011: 207), dass ers- tens das Säckchen Bohnen enthalte und dass zweitens diese Bohnen weiß seien. Wenn nun ein Ausleeren des Säckchens zu einem Vorhandensein von Bohnen auf dem Tisch führt, dann ist damit die Annahme plausibel gemacht, dass auch die ur- sprünglich lose vorgefundenen Bohnen aus dem Säckchen stammen. Dies ist Abduk- tion (vgl. ebd.). Im Hinblick auf das Lesen von Texten bzw. den Leser als detektivische Figur meint Abduktion speziell die Bildung der Annahme, dass sinnhaftes Lesen und Ver- stehen überhaupt möglich sei. Wer eine Botschaft zu entschlüsseln sucht, der setzt voraus, dass eine solche überhaupt existiert und wird meistens auch eine bestimmte, aus Erfahrung resultierende Vorstellung davon haben, was sie uns wahrscheinlich sagen will. Abduktion ist also auch hier eine Form intelligenten Ratens und bedeutet in Bezug auf Hypertexte speziell, zunächst einmal eine hypothetische Ordnung bzw. die Annahme auf sie zu projizieren, dass sie einer bestimmten sinnbildenden Struktur unterliegen müssen. Auf der Basis dieser angenommenen inneren Logik lassen sich dann erst jene bewussten Navigationsentscheidungen treffen, die das Wesen detekti- vischer Hypertextrezeption ausmachen (vgl. Wirth 1997: 328f.). Beide Metaphern, Detektiv und Dandy, stellen bestimmte Formen von ›Naviga- tion‹ und damit abermals die topologische Räumlichkeit des Hypertextes in den Mit- telpunkt: Detektive suchen in der physikalischen Welt nach im Raum verteilten Sinn- bausteinen, aus denen sich der Narrativ eines Tathergangs konstruieren lässt ‒ ja wo- möglich ließen sich Tatorte auch als hypertextuelle Systeme von Spuren beschreiben, in deren Arrangement all jene Abläufe latent codiert sind, von denen sie hinterlassen worden sein könnten. Flaneure wandeln durch belebte Straßenzüge und entscheiden über die Richtung ihrer Bewegung aus spontanen, intuitiven und häufig durch das Strömen der sie umgebenden sozialen Welt mitbedingten Eingebungen heraus. Was die Übertragung dieser Bilder auf das Phänomen modularer und digital vernetzter Texte so attraktiv und schlüssig macht ist das sie verbindende Element des Relatio- nalen, das zugleich die Bedeutung dieser Überlegungen für das Museum deutlich werden lässt: Hypertexte funktionieren über Beziehungen, die sich quantifizieren und somit in räumlichen Verhältnismäßigkeiten nicht nur metaphorisch visualisieren, sondern durchaus mathematisch übersetzen lassen.
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Dinge – Nutzer – Netze Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
Titel
Dinge – Nutzer – Netze
Untertitel
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
Autor
Dennis Niewerth
Verlag
transcript Verlag
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-4232-6
Abmessungen
14.8 x 22.5 cm
Seiten
428
Schlagwörter
Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
Kategorie
Medien
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