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›Virtuelle Museen‹: Medienwechsel und Kontinuität | 121
absolviert haben − in den Disziplinen der Kultur-, Geistes- und Geschichtswissen-
schaften verortet werden kann. So kam eine zwischen 1998 und 2008 im Auftrag des
Deutschen Archäologen-Verbands durchgeführte Verbleibstudie über Museumsvo-
lontäre zu dem Ergebnis, dass über 40 % der Berufseinsteiger im Museumsbetrieb
aus den Bereichen Kunst und Kunstgeschichte stammten, weitere 15,8 % aus der Ge-
schichtswissenschaft und abermals ca. 6,3 % aus der Archäologie. Naturwissen-
schaftler waren nur in Form von Biologen (ca. 5,7 %) und Geologen (ca. 1,5 %) in
nennenswerter Zahl vertreten, und als einzige dezidiert ausgewiesene Absolventen
technischer Studiengänge schlugen die Architekten mit ungefähr 2,4 % zu Buche
(vgl. Volk 2009: 120). Computerwissenschaftler und Informatiker tauchen in der Sta-
tistik ebenso wenig auf wie Medienwissenschaftler − und das, obwohl der zehnjäh-
rige Erhebungszeitraum genau in eine Zeit fiel, in der sich der Anteil der Internetnut-
zer an der Bevölkerung in Deutschland von 37 % auf annähernd 70 % nahezu ver-
doppelte1, und, wie im sechsten Kapitel dieser Studie noch dargelegt werden wird,
die Ausweitung des Angebotes ins WWW zu einem zentralen Aufgabenbereich mu-
sealer Öffentlichkeitsarbeit werden sollte.
Wie Museumsleute aus ihrem akademischen Hintergrund heraus meist keine aus-
gewiesene Kompetenz für den Umgang mit digitalen Medientechnologien mitbrin-
gen, so sind andererseits auch kulturaffine Programmierer ein rares Gut. Die
Frühphase der Computerisierung der Museumsarbeit, die Ross Parry in den 1970er
und 80er Jahren verortet und die vor allem von der internen Computerisierung der
Sammlungsverwaltung gekennzeichnet war, sei daher in erster Linie eine Zeit perso-
neller Krisen und disziplinären Aneinander-Vorbeiredens gewesen: Die Entwicklung
benutzerfreundlicher Interfaces für Kuratoren scheiterte immer wieder daran, dass
den Softwareentwicklern die Ansprüche und Erfordernisse der Institution ebenso
fremd waren wie den Museumsschaffenden die funktionalen Eigenarten und Ein-
schränkungen von Computern. So seien sich beispielsweise viele Entscheidungsträ-
ger für Personalfragen an den Museen der 1980er Jahren gar nicht darüber im Klaren
gewesen, was für eine Art von Programmierer man für welche spezifische Aufgabe
benötigte (vgl. Parry: 123f.). Mit diesem Problemfeld disparater Kompetenzvertei-
lungen verbanden sich laut Parry gerade auf der Museumsseite sehr grundsätzliche
Vorbehalte gegen die Digitalisierung: Klassisch geschulte Ausstellungsmacher emp-
fanden die Logik und den Jargon elektronischer Datenverarbeitung nicht selten als
verstörend und befürchteten das Untergehen ihres traditionellen Tätigkeitsfeldes in
einer »factory culture« (ebd.: 126) − war es doch letztlich digitale Fließbandarbeit,
einem Fundus aus materiellen Objekten Stück für Stück eine Datenbank aus epheme-
ren Datensätzen gegenüberzustellen (vgl. ebd.: 126f.).
1 Vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/13070/umfrage/entwicklung-der-internet
nutzung-in-deutschland-seit-2001 vom 18.04.2018.
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien