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›Virtuelle Museen‹: Medienwechsel und Kontinuität | 129
3.2.1 Ding und Information
Werner Schweibenz denkt in eine ähnliche Richtung und hält es angesichts der Ent-
stehung virtueller Museen für geboten, auch über die ökonomische Verortung von
Museen zu diskutieren. Seiner Ansicht nach unterstreichen museale Präsenzen im
Netz eine grundsätzliche Zugehörigkeit der Museen zur Informations- und Kommu-
nikationswirtschaft: In letzter Konsequenz seien sie eine Form von Massenmedium,
womit notwendigerweise auch einherginge, dass sie mit anderen massenmedialen
Angeboten in Konkurrenz stünden (vgl. Schweibenz 1998: 186f.). Diese Einschät-
zung findet Schweibenz bestätigt in einer These des serbischen Museumswissen-
schaftlers Ivo Maroevic, der zufolge die Museologie als eine Teildisziplin der Infor-
mationswissenschaft verstanden werden müsse, ob sie sich dessen nun selbst bewusst
sei oder nicht (vgl. Schweibenz 2001: 1; vgl. Maroevic 1998: 88). Stefanie Samida
sieht eine entscheidende psychologische Hürde für Museumsschaffende darin, sich
diesen Sachverhalt tatsächlich einzugestehen: Mit der Digitalisierung verbände sich
für sie allzu häufig zugleich die Idee von einer Anbiederung des Museums an die
Populärkultur, einer Abkehr vom didaktischen Auftrag der Institution und eine Hin-
wendung zu unreflektiertem ›Edutainment‹, mit dem man langfristig die Daseinsbe-
rechtigung des Museums aushebeln müsse (vgl. Samida 2002: 5). Diese Einschät-
zung wird von Ann Mintz unterstrichen, der zufolge Museen und Kuratoren zwar
genau auf der Grenze von materieller Kultur und Wissenswirtschaft operieren, die
materielle Komponente ihnen im Arbeitsalltag jedoch sehr viel präsenter sei:
The Age of Information raises especially interesting issues for museums. On the one hand,
museums are part of the information economy. By the current definition, museum professionals
are »knowledge workers«, engaged in the creation and transfer of information. On the other
hand, it᾿s a very special kind of information, based not on pure data but on real things. (Mintz
1998: 20)
Richtig ist sicherlich Folgendes: Ein virtuelles Museum kann nichts ausstellen, was
sich im strengen ontologischen Sinne als ein ›Ding‹, geschweige denn als ein ›Origi-
nal‹ bezeichnen ließe. Alle Software ist nämlich zuallererst und wesentlich Kopie,
bzw.: Bei digitalen Entitäten wie Programmen und Dateien gibt es keine Möglichkeit,
Kopien kategorisch als solche zu erkennen, weil sich ihnen kein Original gegenüber-
stellen lässt. Digitale Technologie funktioniert in diskreten Werten − auf grundle-
gendster Ebene jenen der Bits, die als binäre Signale immer nur die Zustände 0
(›Aus‹, ›Nein‹) oder 1 (›Ein‹, ›Ja‹) aufweisen können. Daraus folgt, dass es so etwas
wie eine verlustfreie Digitalisierung eines analogen Objektes nicht geben kann (vgl.
Manovich 2002: 49). Wie bereits diskutiert wurde, ist z.B. eine Bilddatei ja nichts
anderes als eine Zuweisung diskreter Farbwerte zu diskreten Koordinaten auf dem
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien