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selbst ein Zwischenstadium der Erkenntnis zwischen der Anschauung und der kate-
gorialen Begriffsbildung einnimmt und den auf notwendige Identitätsbedingungen
reduzierten ›Standard‹ darstellt, mit dem Anschauungen abgeglichen und Begriffen
zugeordnet werden. Hui sieht in den Schemata eine Wendung, mit der Kant den
schwammigeren Begriff der ›Einbildung‹ umgeht und den Prozess der Welterkennt-
nis »maschinistischer« (ebd.: 108) beschreibt als Hume: In der Herstellung mentaler
Relationen und Zusammenhänge ist der Geist nicht frei, sondern an vorgefasste Kon-
zepte gebunden. Die Entsprechung zum Schema im Universum des Computers er-
kennt Hui dabei in den Ontologien der Informationswissenschaft (vgl. ebd.).
Der Begriff der Ontologie bedarf hier zweifelsohne einer grundlegenden Klärung.
Obwohl Informatiker mit ihm nicht dasselbe meinen wie Philosophen − was sich
schon darin äußert, dass sie ihn im Gegensatz zu Geisteswissenschaftlern auch und
gerade im Plural verwenden – besteht eine Verwandtschaft zwischen den Ontologie-
vorstellungen beider Disziplinen, und die Informatik borgt sich den Begriff ganz ex-
plizit aus der Philosophie. Thomas R. Gruber beschreibt Ontologien als formalisierte
Repräsentationen von Wissen, die es für und über Computer handhabbar machen sol-
len. Am Anfang jeder Ontologie steht eine Konzeptualisierung als »an abstract,
simplified view of the world that we wish to represent for some purpose« (Gruber
1993: 2): Ein Interessengebiet wird als eine Ansammlung von Gegenständen und
Konzepten angenommen, die in bestimmten Beziehungsverhältnissen zueinander ste-
hen (vgl. Gruber 1993: 2, vgl. auch Hui 2013: 108). Eine Ontologie ist wiederum eine
»explicit specification« (Gruber 1993: 2) einer solchen Konzeptualisierung − und
ihre Verbindung zum philosophischen Mutterbegriff liegt gerade darin begründet,
dass im Digitalen Beschreibung und Gegenstand zusammenfallen. Während sich die
klassische Ontologie nämlich mit »systematic accounts of existence« (ebd.: 3) be-
fasst, sind digitale Systeme in Grubers Diktion rein »knowledge-based« (ebd.: 2) −
und das ›Seiende‹ ist damit in ihnen schlechthin das Beschriebene (vgl. ebd: 3). Eine
Ontologie stellt einen Benennungsschatz für Phänomene innerhalb eines Wissensge-
bietes zur Verfügung und schafft damit den Rahmen für die Entstehung von Wissens-
objekten − oder um abermals auf Grubers Begriffe zurückzugreifen: Eine Ontologie
ist ein »declarative formalism« (ebd.), und die Objekte, die aus diesem Formalismus
heraus formuliert und somit erzeugt werden können, bilden ein »universe of dis-
course« (ebd.):
This set of objects, and the describable relationships among them, are reflected in the represen-
tational vocabulary with which a knowledge-based program represents knowledge. Thus, we
can describe the ontology of a program by defining a set of representational terms. In such an
ontology, definitions associate the names of entities in the universe of discourse (e.g., classes,
relations, functions, or other objects) with human-readable text describing what the names are
meant to denote, and formal axioms that constrain the interpretation and well-formed use of
these terms. (Ebd.)
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien