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›Virtuelle Museen‹: Medienwechsel und Kontinuität | 151
als ein überaus hilfreicher Terminus, um über die kategoriale Verschiedenheit von
culture und computer layer hinweg das Zustandekommen von virtuellen, digitalen
oder auch schlicht Interface-Objekten zu operationalisieren.
Die von Eduardo Kac festgestellte Verschiedenheit von originär digitalen Objek-
ten und solchen, die Reproduktionen physischer Dinge darstellen, verweist hier zu-
gleich auf ein paralleles Wirken zweier unterschiedlicher Verkehrsformen. Lässt man
den Aspekt der Reproduktion zunächst außen vor, so sind digitale Objekte ganz
grundsätzlich Verkehrsformen des digitalen Codes, zu dem wir uns als Kulturwesen
eigentlich nicht verhalten können. Nicht nur, dass er wie die industriell hergestellte
und marktwirtschaftlich vertriebene Zeitung mit überwältigend hoher Frequenz an
uns vorbeirauscht ‒ er ist darüber hinaus auch, im Gegensatz zur Zeitung, in den
Begrifflichkeiten und Sinnstrukturen unserer Alltagswelt nicht zu deuten. Interfaces
verleihen dem Code auf dem Bildschirm zumindest eine Illusion von Stetigkeit, wäh-
rend sie ihm zugleich eine Bildlichkeit auferlegen, zu der wir in Beziehung treten
können. Stefan Münkers Feststellung, dass ›Virtualität‹ im Hinblick auf den Compu-
ter meist seine Fähigkeit beschreibt, simulatorisch zu etwas zu werden, das er eigent-
lich nicht ist, lässt sich in te Heesens Sinne also durchaus so interpretieren, dass di-
gitale Virtualität schlechterdings das Prinzip der technischen Erzeugung von kultu-
rellen Verkehrsformen aus abstrakten numerischen Werten ist. Beziehen wir nun di-
gitale Objekte in die Betrachtung mit ein, die ihren Ursprung in der Digitalisierung
physischer Gegenstände haben, so legt sich über die Verkehrsform des Codes die
Verkehrsform eines präexistenten kulturellen Sinnträgers, deren Funktionalität jener
des Codes genau gegenläufig ist. Während digitale Objekte den verfließenden Bits
nämlich eine temporäre Stabilität auf dem Bildschirm verleihen, ist ihre Lebensdauer
gegenüber materiellen Dingen massiv reduziert. Die Bildlichkeit von Digitalisaten
verschleiert die Prozeduralität des Codes ebenso, wie sie die Permanenz des Originals
unterläuft.
Der große Nutzen des Verkehrsform-Begriffes ist in diesem Zusammenhang,
dass er ein Beiseitestellen der Frage nach einem ontisch-technisch ›Eigentlichen‹ di-
gitaler Objekte ermöglicht, ohne dass man diese völlig ausblenden müsste. Tatsäch-
lich ist es eben gerade die Uneigentlichkeit von Verkehrsformen, die ihren begriffli-
chen Wert ausmacht: Verkehrsformen der Objekte beschreiben ein situatives, kultu-
relles ›Sein‹, das an räumliche, zeitliche und vor allem auch diskursive Orte gebun-
den ist. Zugleich verweisen diese situierten Objektidentitäten immer auf ihr Substrat
zurück: ohne Zeitung kein Zeitungsausschnitt, ohne historischen Überrest kein Mu-
seumsding, ohne Code kein digitales Objekt, ohne Original keine Reproduktion. Die
Frage nach der Dinghaftigkeit digitaler Objekte bleibt also relevant, ist aber nicht die
einzige und ‒ so soll hier für den Augenblick postuliert werden ‒ auch nicht die ent-
scheidende, was die Möglichkeit virtueller Museumsdinge anbelangt. Vielmehr gilt
es auch nach den Modalitäten (sofern es sie denn gibt ‒ und mit Sicherheit wird auch
die vorliegende Studie nicht jeden Vertreter einer konservativen Museologie hiervon
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien