Seite - 15 - in Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
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mischt, politische Themen aufgreift und verarbeitet. Vielfach stammt sie freilich
von wenig bekannten oder vergessenen Autorinnen und Autoren wie Reinhard
Federmann, Leo Katz, Erik von Kuehnelt-Leddihn oder Susanne Wantoch. Viel-
fach handelt es sich dabei um von der Literaturwissenschaft immer gering
geschätzte und wenig beachtete Genres, um Agententhriller und Propagandad-
ramen, Jugendbücher und Kabarettstücke. Daneben gibt es aber ebenso anspruchs-
volle Zeitromane, differenzierte Satiren und waghalsige literarische Projekte zu
entdecken, die nicht in das geläufige bipolare Schema passen. All diese Texte
stehen im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung.
Die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg waren politisch maßgeblich vom
Kalten Krieg geprägt, seinen Krisen und Konflikten, seinen Spannungsfeldern,
Feindbildern und Denkmustern. Als alle gesellschaftlichen Bereiche betreffen-
der „permanenter und aktiv betriebener ‚Nicht-Frieden‘ […], in dem die Aus-
einandersetzung politisch-ideologisch, ökonomisch, technologisch-wissenschaft-
lich, kulturell-sozial und militärisch geführt wurde“ 9, so der Historiker Bernd
Stöver, hatte er weitreichende Auswirkungen auf das Feld der Literatur, die ihn
gleichzeitig auch auf vielfältige Weise zum Thema machte. Und das gilt nicht
nur für berühmte internationale Romane von George Orwells Nineteen Eigh-
ty-Four über Arthur Koestlers Gottes Thron steht leer bis zu Graham Greenes
Our Man in Havanna oder John le Carrés The Spy who Came in from the Cold,
sondern eben auch für die österreichische Literatur.
Am Beginn der vorliegenden Untersuchung stand daher erstens das Ungenü-
gen am Forschungsstand zur österreichischen Nachkriegsliteratur und die durch
einzelne Vorstudien10 sich verdichtende Gewissheit, dass es auch in Österreich
zwischen Kriegsende und den sechziger Jahren eine explizit politische Literatur
gegeben hat, die bislang von der Literaturwissenschaft weitgehend unbeachtet
geblieben ist. Zweitens hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges 1989/90 die
geschichtswissenschaftliche Forschung zu diesem Thema enorm intensiviert,
nicht zuletzt durch die Öffnung zahlreicher Archive. Der selbstbewusste Titel
eines Buches von John Lewis Gaddis, dem Doyen der US-amerikanischen
Geschichtsschreibung zum Kalten Krieg, in dem eine erste Bilanz über die Aus-
wertung neuerer Quellen gezogen wird, lautet We Now Know.11 Darüber hinaus
eröffnet sich erst seit der Auflösung der mit dem Kalten Krieg verbundenen star-
ren ideologischen Formationen die Möglichkeit eines neuen, unvoreingenom-
9 Bernd Stöver: Der Kalte Krieg. Geschichte eines radikalen Zeitalters 1947–1991. München:
Beck 2007, S. 76.
10 Vgl. Günther Stocker: Der Kalte Krieg in der österreichischen Literatur. Annäherungen an eine
Lücke. In: Weimarer Beiträge, 55 (2009) H. 1, S. 6–27.
11 John Lewis Gaddis: We Now Know. Rethinking Cold War History. Oxford: Clarendon Press
1997. Freilich erscheint Gaddis’ Optimismus aus heutiger Sicht übertrieben. 15
Einleitung
Diskurse des Kalten Krieges
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Titel
- Diskurse des Kalten Krieges
- Untertitel
- Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20380-3
- Abmessungen
- 15.9 x 24.0 cm
- Seiten
- 742
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918