Seite - 17 - in Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Bild der Seite - 17 -
Text der Seite - 17 -
und in diese eingreifen. So besteht das zweite Ziel unserer Untersuchung im
Nachzeichnen der Diskurse des Kalten Krieges in der österreichischen Literatur
und ihrer Verortung im Kontext der zeitgenössischen nationalen und internati-
onalen Diskurse. Von besonderem Interesse ist dabei die Analyse der Austausch-
prozesse zwischen literarischen und nicht-literarischen Texten, der Zirkulation
und Veränderung von spezifischen Metaphern, Diskursmustern und Narrativen.
Den theoretischen Rahmen für eine derartige Perspektive auf Literatur bildet
der New Historicism, eine maßgeblich vom US-amerikanischen Literaturwis-
senschaftler Stephen Greenblatt geprägte Theorie, die sich für die Verankerung
von Texten in geschichtlichen Zusammenhängen interessiert. Das Verhältnis
von Text und historischem Kontext, von literarischen und nicht-literarischen
Quellen wird dabei nicht mehr hierarchisch gedacht, als Relation von Kunstwerk
und Hintergrund, sondern es geht um die Frage nach den wechselseitigen Bezie-
hungen zwischen Texten und innerhalb der gesamten Kultur. Literarische Texte
werden dabei als Knotenpunkte der Diskurse verstanden oder mit den Worten
Greenblatts, als „Brennpunkte konvergierender Kraftlinien“17 der Kultur, „als
Kraftfelder, als Orte des Meinungsstreites und changierender Interessen, als
Anlässe für ein Aufeinandertreffen von orthodoxen und subversiven Impulsen“.18
Die Analyse der vielfältigen Verknüpfungen, die Romane, Erzählungen, The-
aterstücke etc. mit den eine spezifische historische Periode bestimmenden Dis-
kursen verbinden, ermöglicht es dann, „den literarischen Text wieder mit den
gesellschaftlichen Energien aufzuladen, die ihm als historisch bedingtes Produkt
bei seiner Entstehung in Fülle zu eigen waren“.19 Die literarischen Texte sollen
damit auf das kulturelle Feld zurückbezogen werden, das sie hervorgebracht hat.
Genau das ist ein Ziel des vorliegenden Buches. Es geht im Folgenden daher um
die Frage, wie sich ein Text an dem komplexen System von Aussagen beteiligt, das
die Diskurse des Kalten Krieges bilden, wie er darin integriert ist, wie er darin
eingreift und welche alternativen Modelle er entwickelt. Die Analyse der spezifi-
schen Verarbeitung der Diskurse des Kalten Krieges in literarischen Texten soll
die Rekonstruktion der darin gespeicherten „soziale[n] Energie“20 ermöglichen.
17 Stephen Greenblatt: Selbstbildung in der Renaissance. Von More bis Shakespeare (Einleitung).
In: Moritz Baßler (Hg.): New Historicism. Literaturgeschichte als Poetik der Kultur. 2., akt.
Aufl. Tübingen, Basel: UTB 2001, S. 35–47, hier S. 41.
18 Stephen Greenblatt.: Die Formen der Macht und die Macht der Formen in der englischen
Renaissance (Einleitung). In: Moritz Baßler (Hg.): New Historicism. Literaturgeschichte als
Poetik der Kultur. 2., akt. Aufl. Tübingen, Basel: UTB 2001, S. 29–34, hier S. 33.
19 Anton Kaes: New Historicism: Literaturgeschichte im Zeichen der Postmoderne? In: Moritz
Baßler (Hg.): New Criticism. Literaturgeschichte als Poetik der Kultur. 2.,
akt. Aufl. Tübingen,
Basel: UTB 2001, S. 251–267, hier S. 254.
20 Stephen Greenblatt: Verhandlungen mit Shakespeare. Innenansichten der englischen Renais-
sance. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1993, S. 9. 17Einleitung
Diskurse des Kalten Krieges
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Titel
- Diskurse des Kalten Krieges
- Untertitel
- Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20380-3
- Abmessungen
- 15.9 x 24.0 cm
- Seiten
- 742
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918