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Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
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Grenze. Er marschiert „einen Tag und eine Nacht hindurch“ (NZ 41), nimmt dann einen Zug nach Westen und streift zwei Tage lang an der Grenze entlang. Dort beobachtet er die Grenzanlagen, wo „bereits neue Drahtverhaue und Tür- me für Maschinengewehre“ (NZ 41) gebaut werden. Seinen Grenzübertritt bezahlt er beinahe mit dem Leben: „Daß ich dann doch eine Landmine losgetreten habe, dafür können die Streifen sowenig wie für die Gnade, daß mich die Mine nicht zerrissen hat.“ (ebd.) Dem „alten Soldaten“ in ihm verdankt er denn auch seine geglückte Flucht, da der Schock über die Explosion der Mine ihn ansonsten den „Suchhunden ausgeliefert“ (NZ 11) hätte: „Der MG-Schütze auf dem Wachturm hat einfach in die Nacht hinein, Richtung Grenze gefeuert“ (ebd.). Dass er den Grenzübertritt überlebt hat, sieht Nagy dann auch als Wunder an. Die ungarisch-österreichische Grenze war ab Ende 1947 mit einem techni- schen Abriegelungssystem, das Zäune, Stacheldraht und Berührungsminen umfasste, hermetisch geschlossen. Erst nach der Unterzeichnung des österrei- chischen Staatsvertrags 1955 und der Verkündung eines antistalinistischen Kur- ses in der UdSSR, also nach der sogenannten „Geheimrede“ Nikita Chruschts- chows 1956, entfernte die ungarische Regierung auf Forderung Österreichs den Minengürtel an der Grenze. Dadurch war es ca. 200.000 Ungarn möglich, ihre Heimat während des Aufstands 1956 in Richtung Österreich zu verlassen.40 Trotz dieses geglückten Grenzübertritts in die „freie Welt“ wird Nagy sowohl seine eigene Position zwischen den Systemen als auch die Beziehung zu seiner Frau und sogar sein Glaube problematisch. Im Westen irrt Nagy zwischen Emigrantengruppen und snobistischen Kunst-Zirkeln hin und her und gerät auf der Suche nach seiner Frau Erzebeth, die ihn in den obersteirischen Wallfahrts- ort Maria Zell führt, in den Bannkreis eines Spions und potentiellen Menschen- räubers. Nicht so viel Glück bei der Grenzüberschreitung haben die Flüchtlinge in der Kurzgeschichte Grenzwächter Lajos und sein Hund von Kurt Benesch, die 1957 in der Tageszeitung Die Presse abgedruckt wurde.41 Benesch zählte in den 1950er-Jahren zu den Hoffnungen der jungen österreichischen Literatur, vor allem durch die Publikation des Romans Die Flucht vor dem Engel, der 1955 im Wiener Paul Zsolnay-Verlag erschien, ist jedoch heute ein vergessener Autor. Die Erzählung wurde von Zeitungsartikeln angeregt, die beschrieben, „auf wel- che Weise die ungarische Grenzpolizei die Flucht in die Freiheit zu verhindern suchte“. Während in Henz’ Roman der Grenzübertritt aus der Perspektive des Flüchtlings Stefan Nagy erzählt wird, schildert Benesch die Ereignisse an der ungarisch-österreichischen Grenze aus der Sicht eines Wachsoldaten. Lajos, so sein Name, liegt, – gemeinsam mit einer „große[n], schmutziggraue[n] Bluthün- 40 Vgl. József Lugosi: Keine Grenze wie jede andere. In: Ham (Hg.): Der Eiserne Vorhang, S.  83–100. 41 Kurt Benesch: Grenzwächter Lajos und sein Hund. In: Die Presse, 27.1.1957, S.  18. Die „Mordgrenze“ 33
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Diskurse des Kalten Krieges Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Titel
Diskurse des Kalten Krieges
Untertitel
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20380-3
Abmessungen
15.9 x 24.0 cm
Seiten
742
Kategorien
Geschichte Nach 1918
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