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bar geheime[n] Wege[n]“ von Maruscha – „sie ist ja jetzt drüben“ (DB 270) – in
das „Diesseits“ gelangt ist, beichtet diese den heimtückischen Mord.
Franz dagegen, der „mit nacktem Oberleib, vom schwarzen Uferschlamm ver-
schmutzt“ (DB 266) von „drüben“ zurückkommt, will sich an Tschamper rächen,
da ihn dieser aufgrund seiner Zeugenschaft bei dem Verrat an Rosina Descher
verschleppen ließ. Jedoch kommt ihm ein „volksdemokratische[s] Entführungs-
kommando“85 zuvor, welches der Fährmann Elias Loth anführt, der bei seinem
Auftritt mit den Insignien des stygischen Fährmanns Charon ausgestattet ist und
Tschamper in das Reich hinter den Eisernen Vorhang zurückholt:
Nun erscheint Elias Loth als Charon. Er läutet eine Glocke. Über der linken
Schulter trägt er das große Steuerruder, nimmt es nun mit beiden Händen
und, wie eine Sense es schwingend, unter dem gewaltigen Klang ferner To-
desglocken, wie unter dem stampfenden Schritte des ewigen Charon ruft er:
‚Einsteigen! Einsteigen! Fort mit euch da! Die Zeit ist aus! Jedes an seinen
Platz! Wartet mein Nachen draußen nimmer länger. Alles an seinen Platz! Im
Hades ist Ruh! Im Hades trocknet die Träne, stirbt der letzte Wunsch, erlischt
jedwedes Herz!‘ (Alles verschwindet.) (DB 281 f.)
Während sich das gespenstische Entführungskommando auflöst und Tscham-
per „drüben“ ob seines Verrats die gerechte Strafe erwartet, gibt es für Ilse ein
„Happy End“ in Form der Versöhnung mit ihrem Mann Franz Pfadenhauer.
Billingers Verfahren, aktuelle politische Konfliktfelder in mythologisch-ver-
klärendem Gewand zu präsentieren, wurde von Zeitgenossen aller ideologischen
Lager kritisiert. Dabei standen der Rezeption des Dramas nicht nur Billingers
Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus im Wege,86 sondern auch die Kon-
stellationen des Kalten Krieges. Zur Donauballade bemerkte Friedrich Torberg,
dass der „Eiserne Vorhang und die politischen Aspekte […], die im Verlauf des
Stücks zur Sprache kommen“, nicht einmal mit der „Billingerschen Talmi-Rea-
sind, weil „Frost oder Tauwetter“ ebenso wie Tiere oft „Kettenreaktionen“ auslösen würden.
Dies würde den Tieren zum Verhängnis: zerfetzte Rehe und Wildschweine ebenso wie zerfetz-
tes Rotwild wären die Folge (vgl. LV 204).
85 N.N.: Donau so flau. In: Der Spiegel, 23.9.1959, S. 76.
86 Billinger, der 1935 aufgrund seiner Homosexualität für mehrere Wochen im Konzentrations-
lager Dachau interniert war, feierte dennoch während der NS-Zeit große Erfolge mit seinen
Dramen und war auch im „Bekenntnisbuch österreichischer Schriftsteller“, das 1938 zum
„Anschluss“ Österreichs an Hitlerdeutschland erschien, mit einem Beitrag vertreten. Allerdings
war er nie Mitglied der NSDAP. vgl. Edith Rabenstein: Dichtung zwischen Tradition und Moder-
ne: Richard Billinger. Untersuchungen zur Rezeptionsgeschichte und zum Werk. Frankfurt/M.
[u.a.]: Lang 1988, S. 81–108. Die Grenze zwischen Parodie und Mystifizierung 49
Diskurse des Kalten Krieges
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Titel
- Diskurse des Kalten Krieges
- Untertitel
- Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20380-3
- Abmessungen
- 15.9 x 24.0 cm
- Seiten
- 742
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918