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Gewerkschaften“, der „Unionsgesellschaft oder Sowjetischen Gesellschaft für
kulturelle Verbindung mit dem Ausland“,7 der Moskauer „Gesellschaft zur Ver-
breitung politischer und wissenschaftlicher Kenntnisse“,8 dem „Zentralkomitee
der Lehrergewerkschaft der RSFSR“ (Russische Bundesrepublik) oder dem „Zen-
tralkomitee der Komsomol“ (Antifaschistisches Komitee der Sowjetjugend).9 In
diesen Propagandatexten wird der Bevölkerung der westlichen Staaten große
Neugier in Bezug auf den Raum hinter der Grenze zu den kommunistischen
Staaten unterstellt. So heißt es einleitend in einer vom Sowjetischen Informati-
onsdienst herausgegebenen Broschüre mit dem Titel Was wir in der Sowjetuni-
on gesehen haben:
Wie leben die Menschen im Lande des Sozialismus, in der Sowjetunion? Wie ar-
beiten und lernen sie, wie erholen sie sich, wie ist ihre materielle Lage? Warum
kämpfen sie so beharrlich für den Frieden?
Diese und andere mit dem Leben in der Sowjetunion verbundene Fragen inte-
ressieren breite Kreise von Lesern in allen Ländern, doch finden sie in der ka-
pitalistischen Presse nicht immer die richtige Beantwortung. Es ist deshalb nur
natürlich, daß die verschiedensten Organisationen solcher Länder Reisegruppen
in die UdSSR entsenden, damit sie sich in objektiver Weise mit dem Leben im
Lande des Sozialismus vertraut machen und ihren Landsleuten dann darüber be-
richten können.10
Dieselbe Ausgangssituation kennzeichnet auch Die Grenzbuben. Der Lehrer
Albert beantwortet den Buben die Frage „Wie leben die Menschen im Lande des
Sozialismus, in der Sowjetunion?“ folgendermaßen: „In Ungarn ist eine Volks-
regierung. [...] Also freuen wir uns in dem Bewußtsein, daß es ihm [Ernstl] gut
geht.“ (G 65) Ernstls Freunde trauen bloßen Worten aber nicht; immer noch
fragen sie sich: „Vielleicht geht es ihm doch nicht gut. Vielleicht sind die Leute
dort böse. Man erzählt so vieles, und vielleicht ist es wahr.“ (G 65) Gewissheit
7 Diese 1925 gegründete Organisation kann auch durch andere Bezeichnungen übersetzt wer-
den, z.B. „Gesellschaft für die kulturelle Verbindung der Sowjetunion mit dem Ausland (WOKS)“.
Vgl. Max Haller, Franz Jäger [u.a.]: Moskau, Leningrad, Sibirien. Ein Reisebericht. Hrsg. v. der
Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft. Wien: Globus 1952, S. 3. Vgl. zur Geschichte und
Aufgabe dieser Organisation Jean-François Fayet: VOKS. The Third Dimension of Soviet For-
eign Policy. In: Jessica C. E. Gienow-Hecht, Mark C. Donfried (Hg.): Searching for a Cultural
Diplomacy. New York [u.a.]: Berghahn 2010, S. 33–49.
8 Franz Ser. Vetter: Russische Impressionen. In: Neue Volksbildung. Buch und Bücherei 9
(1958), S. 353–357, 405–412, S. 486–490, hier S. 353.
9 Die Titel stammen aus Wolfgang Metzger: Bibliographie deutschsprachiger Sowjetunion-Rei-
seberichte, -Reportagen und -Bildbände 1917–1990. Wiesbaden: Harrassowitz 1991.
10 Sowjetischer Informationsdienst (Hg.): Was wir in der Sowjetunion gesehen haben. Werktäti-
ge aus 13 Ländern erzählen von ihrem Besuch in der UdSSR im Mai 1952. Wien: Globus 1952.
57Ein
Land – zwei Perspektiven
Diskurse des Kalten Krieges
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Titel
- Diskurse des Kalten Krieges
- Untertitel
- Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20380-3
- Abmessungen
- 15.9 x 24.0 cm
- Seiten
- 742
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918