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Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
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können sie sich – so ihre Überzeugung – nur durch eine Reise, durch Augen- zeugenschaft, verschaffen. Auch dies entspricht einer Gattungskonvention der faktualen Reiseerzählungen der kommunistischen Publizistik: Regelmäßig wird darauf hingewiesen, dass hier tatsächliche Erfahrungen wiedergegeben würden. In Katz’ Buch erfahren die drei Kinder das fremde Land ‚mit eigenen Augen‘ und erleben es als angenehme und freundliche Umgebung. Als ihr Hund bei- spielsweise ungarischen Bauern Brot und Fleisch stiehlt, um es den hungrigen Kindern zu bringen, reagieren die Bauersleute, sobald sie die Lage erkannt haben, nicht strafend, sondern geben den Kindern Schlafplatz und Essen.11 Auch die Behörden, an welche die Ausreißer weitergeleitet werden, versuchen auf freund- liche und geduldige Weise, ihr Vertrauen zu gewinnen. Insgesamt zeichnet sich das Ungarn dieses Romans als gastfreundliches, wirtschaftlich aufstrebendes, gut organisiertes, aber keineswegs bürokratisches Land aus. Für das leibliche Wohl der Kinder wird gesorgt und als eines erkrankt, wird es im Spital versorgt und seiner Mutter die Einreise ermöglicht. Dennoch zweifeln die Buben immer wieder an der Ehrlichkeit der ungari- schen Erwachsenen, vor allem, da ihre Zusammenkunft mit Ernstl durch diver- se Besichtigungen ständig hinausgezögert wird. Als sie ihren Schulkollegen schließlich in einem Ferienlager antreffen, müssen sie aber anerkennen, dass er bei der ungarischen Jugendorganisation der Pioniere, die auf Selbstbestimmung, Zusammenarbeit und Produktivität basiert, besser aufgehoben ist als im öster- reichischen Waisenhaus, das von einem sadistischen Erzieher12 geleitet wird. So haben die Schulkameraden bei allem Zusammenhalt schließlich Verständnis, als Ernstl erklärt, dass er nicht mit ihnen nach Österreich zurückkehren wird. Immerhin importieren sie aber die Ideen, die sie bei den Pionieren kennenge- lernt haben, nach Österreich, wo diese begeisterte Aufnahme und Nachahmung finden. Schon während ihrer Abwesenheit haben die Ausreißer „wundervolle Briefe“ (G 202) an ihre Eltern geschrieben, um sie zu beruhigen. Lehrer Albert macht den Eltern den Vorschlag, diese Berichte zu veröffentlichen: 11 Die Freigiebigkeit der Bevölkerung im Gastland wird auch in einer Rumänienreisebroschüre von Susanne Wantoch ausgestaltet: Österreichische Intellektuellendelegation in die RVR (1954) (Hg.): 16  Tage im neuen Rumänien. Bericht über die Studienreise einer Gruppe österreichi- scher Intellektueller durch die Rumänische Volksrepublik. Wien: Globus 1955. [Verantwortlich für den Inhalt: Susanne Wantoch.] 12 Die negativen Erzieherfiguren möchte die „Lektorin“ des Kinderbuchverlages stärker politisch gedeutet wissen: „Sie müssen zu vorsätzlichen Reaktionären werden, die die ‚öffentliche Mei- nung‘ vergiften, unerbittlichen [sic!] jeden Fortschritt im Keime zu ersticken versuchen [...] Der Hass der Erzieher gegen Ernstl und Ralph darf nicht nur aus deren Armut resultieren, sondern vor allem aus ihrer Herkunft von bewussten proletarischen Eltern, [...].“ Lieselotte Fleck an den Kinderbuchverlag (Berlin), Betrifft: Leo Katz – „DIE GRENZBUBEN“. Brief vom 10.12.1950. Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Nachlass Leo Katz, 169/01. 59Ein Land – zwei Perspektiven
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Diskurse des Kalten Krieges Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Titel
Diskurse des Kalten Krieges
Untertitel
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20380-3
Abmessungen
15.9 x 24.0 cm
Seiten
742
Kategorien
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