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nengelernt und uns dabei überzeugt, wie dumm die von verächtlichen Verleum-
dern verbreiteten Propagandamärchen über die Sowjetunion eigentlich sind.“38
Ja, Kollegen, ich habe einen Blick in den Sozialismus getan und habe gesehen,
welch ungeheure Kraft in den Menschen liegt und welche Werte sie zu erzeugen
vermögen, und welcher Segen eine wirklich friedliebende und zielbewußte Füh-
rung sein kann. Und das will ich immer und überall verbreiten.39
„Ich habe mich von der Wahrheit überzeugt.“40
Das Sowjetland ist eine gewaltige Wahrheit und Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit
müssen wir Europäer kennen- und verstehen lernen. Bestimmt kommt die Zeit,
in der manche Kleinmütigen werden erkennen müssen, daß ihr Informations-
material falsch, gefälscht oder erlogen war. Ich wünsche dem ehrlich denkenden
Österreicher nur eines: daß er baldmöglich Gelegenheit haben möge, sich davon
zu überzeugen, daß alle meine Wahrnehmungen und Erlebnisse der Wahrheit
entsprechen.41
Die Wahrheitsbezeugungen der Propagandabroschüren finden sich auch in einem
wesentlich ambitionierteren Text wieder. Es handelt sich um den autobiographi-
schen Essay Deutschland – kein Wintermärchen. Eine Entdeckungsfahrt durch die
Deutsche Demokratische Republik (1956) des aus Österreich stammenden Autors
Arnolt Bronnen. Vor dem Hintergrund, dass Bronnen sich nach Kriegsende fast
zehn Jahre lang um seine Aufnahme in die DDR bemühte,42 wirkt sein Text wie
ein verspätetes Bewerbungsschreiben. Als Bronnen endlich einreisen durfte,
verfasste er umgehend einen Essay über seine Fahrt in die Wahlheimat und die
Eindrücke, die sich ihm dabei boten. Programmatisch hält er eingangs fest: „Wer
nicht reist, kann nichts entdecken.“43 Die ‚Entdeckungen‘, die Bronnen dann
Isländer, Finnen und Österreicher über ihren Aufenthalt in der Sowjetunion im Jahre 1951.
Wien: Globus 1951, [unpaginierte Seite, statt einem Vorwort].
38 Sowjetischer Informationsdienst (Hg.): Was wir in der Sowjetunion gesehen haben. Ausländi-
sche Besucher über ihre Eindrücke von der UdSSR. Wien: Globus 1954, S. 10.
39 Friedrich Glinz: Ein Eisenbahner berichtet über seine Reise in die Sowjetunion. In: Die Arbeit.
Das Magazin des Gewerkschaftlichen Linksblocks 7 (1953) H. 2, S. 26–28, hier S. 28.
40 Franz Elek: Meine Reise in die neue Wirklichkeit. Auszüge aus Vorträgen über Erlebnisse in
Moskau. Hg. v. d. Gesellschaft zur Pflege der kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zur
Sowjetunion. Wien: Globus 1949, S.
30. Der zitierte Text ist aus dem Textfluss herausgehoben
und kursiv gesetzt.
41 Ebd., S. 31.
42 Vgl. Friedbert Aspetsberger: Arnolt Bronnen. Biographie. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1995,
S. 759 f.
43 Bronnen: Deutschland., S. 5. Die Rhetorik der Augenzeugenschaft 67
Diskurse des Kalten Krieges
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Titel
- Diskurse des Kalten Krieges
- Untertitel
- Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20380-3
- Abmessungen
- 15.9 x 24.0 cm
- Seiten
- 742
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918