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Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
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Seite - 86 - in Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur

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Augenzeugen braucht selbst Augenzeugen; es reicht nicht aus, dass sie selbst ‚sehenden Auges‘ ist, sie braucht auch sehende Augen, die sie als Medium der Wahrheit wahrnehmen. Neumann parodiert hier nicht nur die Schriftstellerkolleginnen und -kolle- gen in der DDR, sondern darüber hinausgehend auch die vom Regime einge- forderte Praxis der ständigen Apologie der sowjetischen Realität. Dieses Regime verträgt dabei nicht die leiseste Kritik, auch nicht die, es vertrage keine Kritik. In Soschtschenkos Abenteuer eines Affen wird zwar keineswegs das Bild des Arbeiterparadieses in das Bild des Staatsterrors verkehrt, dennoch erfolgen bereits scharfe Maßregelungen von Seiten der Partei. Geduldet wird ausschließlich jene Version des Narrativs, in der die Augenzeugenschaft ein begeistertes Bekennt- nis, ja eine Verwandlung auslöst. Neumann steigert diesen Verwandlungswillen ins Unheimliche, wenn er mit dem Szenario des unnarkotisierten Patienten im Operationsraum Imaginationen von Grausamkeit erweckt. Die groteske Augen- zeugenfigur des Affen in den Parodien von Texten Friedrich Wolfs und ande- ren93 übersteigt die nur sehr moderat kritische Perspektive der Erzählung Soscht- schenkos, deren Kenntnis als zeithistorischer Hintergrund vorausgesetzt wird, um ein Vielfaches. Augenzeugen der Repression – Carl Merz’ und Helmut Qualtingers Fahrt ins Rote (1956) Fahrt ins Rote94, das Mittelstück des Kabarettprogramms Blattl vor’m Mund von Carl Merz und Helmut Qualtinger, das am 3.  Oktober 1956 im Intimen Thea- ter95 in Wien Premiere hatte, greift das Thema der Augenzeugenschaft mit deut- lichem Bezug auf die von kommunistischen Organisationen beworbenen Reisen hinter den Eisernen Vorhang auf. Dabei wird dem propagandistischen Diskurs über die „Volksrepubliken“ als rechtstaatliche, menschenfreundliche Länder in entlarvendem Gestus die konkrete Erfahrung eines Reisenden entgegengesetzt, der im fiktiven „roten“ „Demokarpathien“ ein diktatorisches, repressives Staats- system erlebt. Das Stück beginnt mit einem Prolog, der paradigmatisch den Rah- men einer kommunistischen Propagandaveranstaltung vorgibt: 93 Die parodierenden Texte Theatralisches Panoptikum 4, nach Friedrich Wolf und Die Entschal- tung enthalten Passagen, die dem Exildrama Professor Mamlock (1933) des DDR-Autors Fried- rich Wolf sowie dem Schreibstil der DDR-Autorin Anna Seghers, besonders aber der Politik- hörigkeit der DDR-Literatur insgesamt gelten. 94 Carl Merz, Helmut Qualtinger: Fahrt ins Rote [UA: 3.10.1956, Intimes Theater]. In: Qualtin- ger: Werkausgabe Bd.  2, S.  156–175 [im Folgenden abgek. FR]. 95 Auch als ‚Kleines Theater in der Liliengasse‘ bezeichnet. Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR 86 2 Reisen ins Rote – Augenzeugen hinter dem Eisernen Vorhang
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Diskurse des Kalten Krieges Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Titel
Diskurse des Kalten Krieges
Untertitel
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20380-3
Abmessungen
15.9 x 24.0 cm
Seiten
742
Kategorien
Geschichte Nach 1918
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