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Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
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ce‘96 über Sinnhaftigkeit und Gefahren einer solchen Reise in ein kommunisti- sches Land. Aus dem klassischen ‚Gescheiten‘ ist hier der „Skeptiker“ geworden, während der „Unvoreingenommene“ als ‚Dummer‘ dasteht. Gegenstand der Kritik sind also weniger die Kommunisten, sondern vielmehr die sich den kom- munistischen Staaten gegenüber als neutral und eben unvoreingenommen ver- stehenden Österreicherinnen und Österreicher. Wie falsch diese liegen, wird lehrstückhaft vorgeführt. Der „Unvoreingenommene“ steht propagandistischen Darstellungen – wie jenen aus dem Prolog – offen genug gegenüber, um sich persönlich von deren Stichhaltigkeit überzeugen zu wollen. Er möchte eine „Fahrt ins Rote“ antreten, obwohl ihn der „Skeptiker“, ein politischer Flüchtling aus Demokarpathien, aus- drücklich davor warnt. Der zweite Teil der dargestellten Handlung besteht nun aus der Reise des „Unvoreingenommenen“, welche die ‚Wahrheit‘ über die Welt hinter dem Eisernen Vorhang zum Vorschein bringen soll. Die Autoren bieten hier ein breites Spektrum totalitärer Schreckensbilder auf: grundlose Festnah- me, Verhör, Folter durch Schlafentzug und psychische Zermürbung, Zwang zur Unterzeichnung eines Schuldgeständnisses, erzwungene Denunziation mit Gegen- überstellung bis hin zur Androhung der Deportation.97 Die düstere Satire erreicht einen Höhepunkt, wenn dem inhaftierten „Unvoreingenommenen“ erlaubt wird, mit einem Vertreter einer zufällig vorbeikommenden österreichischen Delega- tion zu sprechen. Der „Eingeladene“, der die autoritäre Volksrepublik Karpathi- en spontan mit Attributen wie „herrlich“, „bezaubernd“, „rührend“ und „freund- lich“ beschreibt, sieht es als seine ausdrückliche Aufgabe „in unserer Heimat objektiv über dieses Land hier zu berichten“, (FR 166) und verweigert seinem Landsmann aus diplomatischer Rücksicht die Hilfe in der Notsituation. Genau gegen diese offiziellen österreichischen Delegationen polemisierte Friedrich Torberg im Forvm: [D]er grundsätzliche Einwand gegen diese fröhlichen Ostlandfahrten entspringt ja keineswegs der Besorgnis, daß man den Teilnehmern Potemkinsche Dörfer vorführen könnte, deren geschwindelte Fassaden sie für echt nehmen, sondern daß sie angesichts der echten Fassaden, die man ihnen vorführt, ihrerseits zu Po- temkinschen Dorftrotteln werden und aus der einwandfreien Echtheit des ihnen Vorgeführten den Schluß ziehen, es müsse auch das, was man ihnen nicht vor- führt, echt und einwandfrei sein und alles in bester Ordnung. Wir bezweifeln kei- nen Augenblick lang, daß die Oper […] wirklich ausverkauft war. […] wir möch- 96 Die Doppelconferénce ist ein kabarettistisches Genre, das in den 1920er-Jahren in Wien popu- lär wurde. Dabei übernehmen traditionellerweise zwei Gesprächspartner die Rollen des ‚Geschei- ten‘ und des ‚Dummen‘. 97 Für eine etwas genauere Schilderung vgl. Stocker, Neumann-Rieser: Reisen ins Rote. Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR 88 2 Reisen ins Rote – Augenzeugen hinter dem Eisernen Vorhang
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Diskurse des Kalten Krieges Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Titel
Diskurse des Kalten Krieges
Untertitel
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20380-3
Abmessungen
15.9 x 24.0 cm
Seiten
742
Kategorien
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