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Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
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Dieser Anspruch gilt genregemäß besonders in faktualen Texten, während im Bereich fiktionaler Literatur zum Teil auch reflektierend mit dem Wirklichkeits- und Wahrheitsdiskurs umgegangen wird, manchmal werden seine Strategien und Logik bewusst bekräftigt, manchmal parodiert, unterlaufen oder in ihren Funk- tionsweisen erkennbar gemacht (vgl. dazu auch den Abschnitt über Robert Neu- manns Die Puppen von Poshansk in Kapitel  6). Fahrt ins Rote greift das Reise-Nar- rativ auf, um es zu einer klaren politischen Botschaft zu formen, nämlich der Warnung vor einer „unvoreingenommenen“ Haltung gegenüber den kommunis- tischen Ländern. Damit selbst Teil des aktuellen politischen Diskurses, hat diese Strategie auch scharfen Widerspruch erfahren, nicht nur von Seiten der Partei- kommunisten. Der Kabarettist Georg Kreisler, Kollege und Bühnenpartner von Merz und Qualtinger, kritisiert Fahrt ins Rote, in dem er selbst hätte mitspielen sollen, in seinen 1989 erschienenen Memoiren als plumpe Propagandakunst: Qualtinger und Merz schrieben also das Mittelstück, ein unfaßbar plumpes anti- kommunistisches Hetzstück namens ‚Fahrt ins Rote‘. Es handelte von einem Tou- risten, der an der Grenze eines Ostblocklandes stundenlang verhört wird, weil man ihn irrtümlich für einen westlichen Agenten hält. Die Autoren wollten mit diesem Stück das Publikum vor Ostblockreisen warnen, denn, schienen sie sagen zu wollen, wenn man an der Grenze zufällig für einen westlichen Spion gehalten wird, könnte man Unannehmlichkeiten haben. Es war schwer für mich zu glauben, daß es Merz und Qualtinger mit dieser einfäl- tigen Argumentation Ernst war. Zum Entsetzen der Kollegen fand ich das Stück unendlich kitschig und unfreiwillig komisch, aber das tat ihrer Begeisterung kei- nen Abbruch. Qualtinger spielte den gefährlich sadistisch grinsenden Verhörer mit russischem Akzent. Louise Martini spielte eine Frau, die man gefoltert hatte und die, kreidebleich geschminkt, nun ins Leere starrte und wirres Zeug redete. [...] Einen zweiten bösen russischen Beamten sollte ich übernehmen. Aber ich weigerte mich, zuerst lachend, und als die anderen indigniert reagierten, im Ernst. Ich hatte die McCarthy-Ära in Amerika miterlebt und hatte die dümm- liche antikommunistische Greuelpropaganda satt. Ich hatte gesehen, wie die ame- rikanische Regierung jede Opposition mundtot zu machen versuchte, indem sie ihr kommunistische Tendenzen vorwarf, hatte gehört, wie gestandene Politiker jeden kritischen Satz ‚Ich bin zwar kein Kommunist, aber –’ beginnen mußten, hatte mit Entsetzen zugesehen, wie verdiente Leute durch unbewiesene Verdäch- tigungen um ihre Posten und zeitweilig ins Gefängnis gebracht wurden. Der Fall der zehn Hollywood-Autoren, deren Verträge fristlos gekündigt wurden, weil sie sich weigerten, ihre Kollegen anzuschwärzen, die Fälle Alger Hiss, Bertolt Brecht, Hanns Eisler, Paul Robeson sowie Fälle aus meinem engsten Freundeskreis waren mir noch gut in Erinnerung. [...] Und jetzt sollte ich mich auf die Seite derer schla- gen, die es McCarthy gleichtun wollten? Das Reise-Narrativ in Satire und Parodie 91
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Diskurse des Kalten Krieges Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Titel
Diskurse des Kalten Krieges
Untertitel
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20380-3
Abmessungen
15.9 x 24.0 cm
Seiten
742
Kategorien
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