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ElFo—Elementarpädagogische Forschungsbeiträge (2019), 1 (1), S. 7-14
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Kleinkinder unter sich – Peerbeziehungen im dynamischen sozialen Netzwerk einer Kindergartengruppe
Außerdem bilden sich in sozialen Gruppen, in denen die Mitglieder wiederholt miteinander
interagieren, differenzierte soziale Beziehungen heraus (Grammer, 1982). Freunde verbringen generell
mehr Zeit miteinander, teilen öfter Ressourcen und unterstützen einander mit höherer
Wahrscheinlichkeit als Kinder, die nicht miteinander befreundet sind (Grammer, 1979). Aber auch in
Konflikten werden Sozialbeziehungen ersichtlich: Kinder, die oft erfolgreich mit anderen Peers um
Ressourcen konkurrieren, genießen meist einen höheren Status in der Gruppe (Pellegrini, 2008). Es ist
dabei meist gar nicht so wichtig, ob sie sich die Ressourcen „erkämpfen“ oder durch positive
Interaktionen (z. B. vorangegangenes Unterstützen) erwerben (Pellegrini et al., 2007). Beziehungen
innerhalb einer Peergruppe können in einem sozialen Netzwerk abgebildet werden, das als „das
Gesamt an sozialen Beziehungen zwischen einer definierten Menge von Personen“ (Röhrle, 1994, S. 1)
definiert wird. Alle sozialen Interaktionen innerhalb dieses Netzwerks - sei es Zusammenarbeit oder
Wettbewerb - sind maßgeblich für die Entwicklung sozialer Kompetenzen beim Kind (z. B. Empathie,
Perspektivenübernahme; Laireiter & Lager, 2006). Obwohl es eine Fülle an
entwicklungspsychologischen Studien im Forschungsfeld des Sozialverhaltens von Kindern gibt,
werden diese Fähigkeiten meist im Labor unter kontrollierten Bedingungen, in der dyadischen
Interaktion (d. h. beschränkt auf zwei InteraktionspartnerInnen) und im Austausch mit Erwachsenen
untersucht. Obwohl diese Ergebnisse wichtig und informativ sind, lassen sie doch vielen Fragen über
die sozialen Fähigkeiten von Kleinkindern im dynamischen sozialen Netzwerk einer Peergruppe offen.
Ziel der vergleichenden Kognitionsforschung ist es, die kognitiven Fähigkeiten verschiedener Spezies -
einschließlich des Menschen - durch Beobachtung im natürlichen Umfeld und/oder mit artgerechten
experimentellen Paradigmen zu erforschen. Dieser Ansatz erlaubt es, sowohl die kognitiven
Fähigkeiten von Menschen in verschiedenen Kulturen zu untersuchen (House et al., 2013) als auch
seine Fähigkeiten mit denen anderer Tiere zu vergleichen (z. B. Vergleich mit nahe verwandten Arten
wie den Primaten; Burkart et al., 2014). Einen wichtigen Eckpfeiler bildet hierbei die Untersuchung der
sozio-kognitiven Fähigkeiten. Das sind jene Fähigkeiten, die in der sozialen Interaktion mit anderen
Gruppenmitgliedern eingesetzt werden oder die kognitiven Vorbedingung für solche Interaktionen
darstellen. Ein Beispiel hierfür sind Verhaltensweisen, die andere begünstigen wie Teilen, Helfen und
Unterstützen in Konfliktsituationen, die in der Kognitionsforschung unter dem Begriff „prosoziales
Verhalten“ zusammengefasst werden (Eisenberg, Fabes & Spinrad, 2006). Um jemand anderem zu
helfen, muss die handelnde Person erst verstehen, dass der oder die andere Hilfe braucht, oder aber
abwägen, mit welchen Kosten für sich selbst der Nutzen für die andere Person einhergeht. Solche
sozio-kognitiven Fähigkeiten liegen der beobachteten Handlung des Helfens zugrunde und können
über Versuchssituationen im Vergleich mit einer oder mehreren Kontrollsituationen erforscht werden
(Jensen, Vaish, & Schmidt, 2014). Ziel beim vergleichenden Ansatz ist es, diese Fähigkeiten zu
erforschen, ohne die handelnde Person nach ihren Beweggründen und Schlussfolgerungen befragen
zu müssen. Nur so kann der neutrale Vergleich verschiedener Kulturen oder verschiedener Spezies
gewährleistet werden (Nielsen & Haun, 2016). Da zum natürlichen Umfeld für viele Kleinkinder
heutzutage auch Peergruppen in elementarpädagogischen Einrichtungen zählen, eröffnet sich durch
die Forschung in diesen Einrichtungen ein vielversprechendes neues Feld für die Kognitionsforschung
aber auch für andere Bereiche der Grundlagenforschung (z. B. für die Entwicklungspsychologie).
ElFo
Elementarpädagogische Forschungsbeiträge, Band Jahrgang 1 / Heft 1 / 2019
- Titel
- ElFo
- Untertitel
- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge
- Band
- Jahrgang 1 / Heft 1 / 2019
- Herausgeber
- Lars Eichen
- Eva Pölzl-Stefanec
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 41
- Kategorien
- Zeitschriften ElFo- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge