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ElFo—Elementarpädagogische Forschungsbeiträge (2019), 1 (1), S. 24-30
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Zwischen Homogenisierung und Pluralisierung.
Elementarpädagogik inmitten religiös und weltanschaulich ambivalenter Ansprüche
Religion konfrontiert. Dies führt zu einem Spannungsfeld, welches eine Reflexion über Religion/en und
den mit ihnen verbundenen Identitätsprozessen erfordert.
Die Vielfalt religiöser Prägungen und deren Diskursivierung lassen sich nicht auf Feste oder Projekte
reduzieren. Religion ist ein Phänomen des Zwischenraumes, weshalb sie in hoch komplexe
Identitätsprozesse verwoben ist, welche das Aushandeln von sozialen Positionen und
Machtverhältnissen implizieren. Soziale Gruppen und insbesondere religiöse Zugehörigkeiten
genießen in Gesellschaften mehr oder weniger Ansehen und werden nicht selten mit stereotypen
Zuschreibungen behaftet. Solche Bewertungen entgehen den Kindern nicht, weshalb sie einer
vorurteilsbewussten Begleitung durch kompetente und reflektierte PädagogInnen bedürfen (Wagner,
2013). Dabei sind auch die Routinen und Organisationsstrukturen elementarpädagogischer
Bildungseinrichtungen auf deren Reproduktion von Macht- und Ungleichheitsverhältnissen zu
befragen.
Religionen wie Kulturen existieren nicht als statische, distinkte und gleichsam ‚natürliche‘ Größen,
sondern haben sich in dynamischen Aushandlungsprozessen und Abgrenzungsmustern
herausgebildet. Die anderen sind daher immer auch im eigenen Selbstverständnis eingelagert
(Rettenbacher, 2013), wodurch das Problem entsteht, sie entweder einzugliedern oder auszugrenzen.
Darum sind Religionen und Kulturen gewichtige Faktoren, Identitäten zu gewinnen und zu verhandeln.
In diesen Zwischenräumen verändern sie sich selbst wiederum beständig und werden zudem
kontextuell geprägt (Gruber, 2013).
Im Kindergarten zeigen sich Religionen und Kulturen in Form von familiären Prägungen und
Traditionen, die permanent dazu herausgefordert werden, sich neu zu justieren. Fixierende
Identitätsvorstellungen und Reduktionen auf bestimmte Merkmale werden daher den Kindern und
deren Familien nicht gerecht. Verbote verunmöglichen Aushandlungsprozesse und forcieren einen
Rückzug auf starre Identitätsentwürfe, weil diese Sicherheit vermitteln. Eine konstruktive Bearbeitung
familiärer und institutioneller Identitätsentwürfe zugunsten der bestmöglichen Entwicklung der Kinder
in der jeweiligen Gesellschaft sollte den BildungspartnerInnen zugetraut werden. Hier sind
Lernprozesse auf beiden Seiten notwendig.
Religiöse und kulturelle Identitäten prägen sich vielfältig und hybrid aus, weshalb eine pluralitätsoffene
Elementarpädagogik einer Sensibilität für Zwischenräume bedarf. Sie stellen sich im Kindergarten
oftmals recht überraschend ein, sind mitunter mit Konflikten verbunden und zeigen vorhandene
Machtverhältnisse auf. Wenn es gelingt, solche Aushandlungsräume nicht mittels Homogenisierung
oder Pluralisierung vorschnell zu vermeiden, sondern offen zu halten, dann haben Kinder und andere
beteiligte Personen die Möglichkeit, vielfältige Aspekte ihrer Identität – jenseits binär angelegter
Identitätspolitiken – zu erproben und auszuhandeln. Dort können gesellschaftlich etablierte Macht-
und Ungleichheitsverhältnisse reflektiert und zugunsten eines fairen Zusammenlebens in unserer
Gesellschaft bearbeitet werden.
Literaturverzeichnis
Bhabha, Homi K. (2011). Die Verortung der Kultur (2. Aufl.). Tübingen: Stauffenberg.
Brandstetter, Bettina (2017). Zwischen Homogenisierung und Pluralisierung. Der Ort der Kindergartenpädagogin
in der Heterogenität von Kulturen und Religionen. Unveröffentlichte Dissertation: Universität Salzburg.
Brandstetter, Bettina (2018). Die umstrittene Religionspluralität im Kindergarten. Elementarpädagogik im
Zwischenraum. Österreichisches Religionspädagogisches Forum 26(1), S. 7-14.
ElFo
Elementarpädagogische Forschungsbeiträge, Band Jahrgang 1 / Heft 1 / 2019
- Titel
- ElFo
- Untertitel
- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge
- Band
- Jahrgang 1 / Heft 1 / 2019
- Herausgeber
- Lars Eichen
- Eva Pölzl-Stefanec
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 41
- Kategorien
- Zeitschriften ElFo- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge