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Kinderrechte im Fokus der Bildsamkeit
ElFo – Elementarpädagogische Forschungsbeiträge (2020), 2 (2), S. 6-13
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Denn „ohne den ernsthaften Versuch selbstkritischer Reflexion, ohne die Anstrengung geklärter
Begriffe und begründeter Konzepte bleibt alle Praxis zufällig, sei sie auch noch so gut. Erst wenn es
gelingt, Praxis-Entwicklung und Theorie-Reflexion produktiv aufeinander zu beziehen, kann Pädagogik
als eine bewusst gestaltete gesellschaftliche Praxis für Kinder gut gelingen – das Nachdenken über
Kinderrechte ist dazu unverzichtbar“ (Hartwig, Mennen & Schrapper, 2016, S. 311–312). Fach-
spezifische Auseinandersetzungen über den Rechtsstatus von Kindern in der Erziehung oder eine
pädagogische Theorie, in der geklärt ist, dass Kinder Rechtssubjekte sind, existieren bislang jedoch
nicht (Ammann, 2020), was daran liegen könnte, dass es nicht um eine kindgemäße Erziehung geht,
sondern um die Frage, „ob Erziehung als solche überhaupt kindgemäß ist“ (Koerrenz, 2018, S. 41–42).
Möchte man das Verhältnis von Menschen- bzw. Kinderrechten jenseits einer Bindestrich-Pädagogik1
aus pädagogischer Perspektive angemessen behandeln, ist aufgrund der Weite und Komplexität des
Themenfeldes „Kinderrechte“ eine multi- und interdisziplinäre Bearbeitung unter Einbezug der Rechts-
wissenschaft nötig. Zudem ist damit die Herausforderung verbunden, Begriffe und Konzepte
systematisch zu klären und zu verwenden (Schickhardt, 2015), ehe Gemeinsamkeiten und
Unterschiede problematisiert, analysiert und diskutiert werden können. Unabdingbar ist dabei die
Auseinandersetzung mit ethischen und fachlichen Dilemmata, die durch Antinomien charakterisiert
sind, unabdingbar, insbesondere weil es sich dabei um zentrale fachspezifische Problemaspekte
handelt (Zitelmann, 2001) und die prinzipielle Besonderheit der Thematik unauflösbar bleibt: Ab dem
Zeitpunkt der Geburt nehmen andere Menschen und Institutionen – Eltern, Betreuungspersonen und
der Staat – die Rechte von Kindern und Jugendlichen wahr und interpretieren diese inhaltlich. Die
Wahrnehmung und Inanspruchnahme ihrer Rechte wird den sich entwickelnden Kindern und
Jugendlichen erst nach und nach zugesprochen (Lohmann, 2007), weshalb Diskussionen über Kinder-
rechte immer von einer fortdauernden Ambivalenz geprägt sind. So erhält ein Kind zwar den Subjekt-
status, aber es sind immer Erwachsene, welche die Position des bestimmenden Subjekts einnehmen.
Erwachsene gelten als vollständig handlungsfähig, Kinder und Jugendliche als beschränkt handlungs-
fähig, weshalb ein Kind erst dann zur Rechtsakteurin bzw. zum Rechtsakteur wird, wenn es umfassende
Handlungsbefugnisse erhält und diese auch tatsächlich ausführen kann. Damit wird die Subjektivität
von Kindern und Jugendlichen Beschränkungen unterworfen und der juristische Begriff des
Rechtssubjekts „von der Vorstellung einer ,Subjektivität‘ im Sinne einer eigenen Perspektive auf die
Welt“ (Wapler, 2015, S. 337) unterschieden.
Forschungsmethodische Verortung
Der vorliegende Artikel beruht auf der kürzlich erschienenen Dissertation der Autorin (Ammann, 2020),
die sich aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive mit der UN-KRK und der Frage nach dem Kind
als Rechtssubjekt auseinandergesetzt hat. Als fachspezifische Erweiterung befasst sie sich dabei mit
der „Bildsamkeit des Zöglings“ als „Grundbegriff der Pädagogik“ (Herbart, 1835/1989, S. 69) in der
Tradition des Philosophen, Psychologen und Pädagogen Johann Friedrich Herbart (1776–1841). Unter
Berücksichtigung der kindlichen Schutzbedürftigkeit und der fehlenden Erfahrung im Verhältnis zu
Erwachsenen sowie dem gleichzeitigen Streben nach Autonomie, Mitsprache und Mitbestimmung
1 Welche die pädagogische Vermittlung von Menschenrechten oder die erziehungswissenschaftliche Untersuchung
solcher Vermittlungsversuche fokussieren und damit weniger geschlossene Erziehungskonzepte bilden, als vielmehr
auf individuelle Erziehungsziele ausgerichtet sind (z. B. Friedenspädagogik, Transkulturelle Pädagogik,
Demokratiepädagogik) (König & Seichter, 2014).
ElFo
Elementarpädagogische Forschungsbeiträge, Band Jahrgang 2 / Heft 2 / 2020
- Titel
- ElFo
- Untertitel
- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge
- Band
- Jahrgang 2 / Heft 2 / 2020
- Herausgeber
- Lars Eichen
- Eva Pölzl-Stefanec
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 31
- Kategorien
- Zeitschriften ElFo- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge