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Kinderrechte im Fokus der Bildsamkeit
ElFo – Elementarpädagogische Forschungsbeiträge (2020), 2 (2), S. 6-13
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Letztendlich soll Erziehung dem Einzelnen helfen, „das zu werden, was er einmal wünschen wird,
geworden zu seyn [sic]“ (Herbart, 1810/1989, S. 77), weshalb aus Herbarts Erziehungstheorie weder
Erzieherin bzw. Erzieher noch Edukandin bzw. Edukand wegzudenken sind und beide mit ihren
Aktivitäten dazu beitragen, dass Erziehung gelingt oder scheitert (Ammann, 2020).
Recht und Erziehung
Der gesellschaftliche und wissenschaftliche Diskurs über Kinder und Kindheiten, der von einem
bestimmten, sich immer wieder wandelnden Kinderbild geprägt ist, betrifft auch das Recht und die
Gesetzgebung. Konventionen und Gesetze zur rechtlichen Stellung von Kindern sind immer vom
jeweils vorherrschenden zeitlichen und gesellschaftlichen Wandel mit den einhergehenden
Vorstellungen von Entwicklung, Entfaltung, Bildsamkeit, Gewöhnung, Erziehung und Unterricht
beeinflusst (Wiesner, 2003; Blaschke-Nacak, Stenger & Zirfas, 2018). Aufgrund der Tatsache, dass der
Diskurs über Kinder und Kindheiten sowie der damit verbundene gesellschaftliche Wandel
pädagogisch bedeutsam ist und sich auch in den Gesetzestexten zeigt, ist Kindheit „nichts, was jenseits
des Rechts gedacht werden kann“ (Behrends, 2017, S. 32). Anhand der Entstehungsgeschichte des
Kindesrechts im Sinne familienrechtlicher Fragen und der Kinderrechte im Sinne grund- und menschen-
rechtlicher Fragen lässt sich deshalb die Haltung gegenüber Kindern, Eltern und dem Staat aufzeigen,
ohne die sich die Entwicklung hin zu den heutigen Kinderrechtskonzepten nicht verstehen lassen
würde (Wyttenbach, 2006). Kindheitsgeschichte ist immer auch Mentalitätsgeschichte und historisch
betrachtet war es keineswegs selbstverständlich, das Wohl von Kindern in den Mittelpunkt zu stellen.
Eine Abhandlung der historischen Rekonstruktion der gesamten Konventionsgeschichte, die einen
Zeitraum von 100 Jahren umfasst und in zahlreiche politische Problemlagen eingebettet war, ist im
Rahmen dieses Artikels nicht möglich. Zusammenfassend lässt sich die KRK als das bei Weitem
detaillierteste und umfassendste aller bestehenden internationalen Menschenrechtsinstrumente
würdigen (Alston, 1994), insbesondere der Bewusstseinswandel hin zum Kind als eigenständiges
Rechtssubjekt, als Inhaberin bzw. Inhaber von Rechten und Freiheiten, ist ein großer Verdienst der
Konvention (Schmahl, 2013; Weiss, 2000). Kritisch zu betrachten ist, dass viele der Bestimmungen
unpräzise blieben und die Umsetzungsmechanismen schwach sind. Hinzu kommt, dass es immer
wieder neue Lebensbereiche gibt, die juristischer Aufmerksamkeit bedürfen, weshalb ein Katalog der
Rechte des Kindes nie vollständig sein kann und sich entwickelt, wenn sich das Leben verändert
(Vuckovic Šahović, Doek & Zermatten, 2012). Gerade weil das einvernehmliche Bekenntnis der inter-
nationalen Staatengemeinschaft nicht darüber hinwegtäuschen darf, wie politisch die KRK und wie
anspruchsvoll deren Umsetzung ist (Würth & Simon, 2012), stellt die Beachtung von Kinderrechten –
anders als häufig angenommen – nicht nur für die ärmeren Staaten des globalen Südens, sondern auch
für die reichen Industrienationen eine große Herausforderung dar.
Aus den vorangegangenen Ausführungen ist erkennbar, dass die Entwicklung eines eigenen Selbst- und
Weltverständnisses nur im Miteinanderumgehen mit anderen Menschen möglich sein kann (Anhalt,
1999). Dasselbe gilt auch für das Recht – verstanden als eine ethische, an Gerechtigkeit ausgerichtete
menschliche Ordnung, welche mit einer Vielzahl von Normen menschliches Zusammenleben regelt –,
welches allerdings einer anderen Logik folgt als die Erziehung: Im Verständnis eines demokratischen
Rechtsstaates ist Recht nicht pädagogisch gedacht, sondern beruht auf einer willkürlich festgelegten
Altersgrenze. Kinder sind damit zwar immer als Rechtssubjekte zu betrachten und zu behandeln,
ElFo
Elementarpädagogische Forschungsbeiträge, Band Jahrgang 2 / Heft 2 / 2020
- Titel
- ElFo
- Untertitel
- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge
- Band
- Jahrgang 2 / Heft 2 / 2020
- Herausgeber
- Lars Eichen
- Eva Pölzl-Stefanec
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 31
- Kategorien
- Zeitschriften ElFo- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge