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Kategorisierung der Dinge des pädagogischen Alltags. Interaktionsorientierte Benennung unbelebter Akteure
ElFo – Elementarpädagogische Forschungsbeiträge (2021), 3 (2), S. 7-17
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darauf an. In diesem Moment steckt das Potential eines Kategorienwechsels. Die Fachkraft
kann weiter verdeutlichen, dass beide Kannen ihr gehören und die Kinder nicht damit handeln
dürfen, oder es eröffnen sich neue Möglichkeiten - dann nämlich, wenn entweder Fachkraft
oder Kind vorschlagen, die alte Kanne in Spielhandlungen einzubinden. Wenn dies der Fall ist,
kann die Fachkraft
a) die Kanne den Kindern überlassen, die dann selbst Möglichkeiten finden, sie in ihr Spiel
einzubinden - beispielsweise im Rollenspiel als Objekt zum Nachahmen von Alltagshandlungen
- oder sie kann
b) zur Nutzung der Kanne anleiten.
Je nach Möglichkeiten des Raums könnte die Kanne so entweder Teil eines Experiments oder
für Schüttübungen verwendet werden, sie könnte für Pflegehandlungen wie der Versorgung
mit Wasser für die Kinder genutzt oder sie könnte durch die Fachkraft ins Rollenspiel
eingebunden werden, wenn diese mit den Kindern eine Spielhandlung initiierte. Je nachdem
wird die Kanne in diesem Moment beispielsweise zum Bildungsmaterial,
Selbstbildungsmaterial oder zum fachkraftorientierten Pflegematerial.
Es zeigt sich, dass die Kategorie, der ein Ding zugeordnet wird, sowohl von der Freigabe der
Fachkraft als auch von der Inanspruchnahme der Kinder abhängt. Diese beiden Faktoren
stehen in einem stetigen Wechselspiel und können in der Interaktion zwischen Fachkraft, Kind
und Ding im Abstand weniger Sekunden wechseln. Die Dinge oszillieren gleichsam zwischen
verschiedenen Kategorien und zeigen sich selten statisch, sofern sie in Handlungen
eingebunden werden. Gleichzeitig sind Dinge, die von keiner Person beansprucht werden, nur
durch ihre Materialität und ihren dadurch gegebenen Aufforderungscharakter hypothetisch
einzuordnen, sind entsprechend „Aktanten“ (Gertenbach & Laux, 2019): Ein:e potentiell als
Akteur:in auftretende Entität ohne klare Zuweisung. Welche Bedeutung sie tatsächlich für das
Geschehen in der pädagogischen Einrichtung haben, zeigt sich erst durch die Handlung der
lebendigen Akteur:innen.
Diskussion und Fazit
Die vorgestellte Kategorisierung reiht sich methodisch ein in eine Reihe von
Forschungsvorhaben, die der Rolle der Dinge in der Interaktion nachspüren (u. a. Asbrand et
al., 2013; Jung & Kaiser, 2018; Morrin, 2021; Neumann, 2013; Zils, 2018). Die Festlegung von
Ding-Kategorien in dieser Form ist hingegen eine Neuerung: Denkt man sie von den
Handlungsnetzwerken aus, können Benennungen nur Momentaufnahmen sein (Dimai, 2012,
S. 47). Die Bedeutung der Dinge konstituiert sich weder durch die herstellerseitig vorgesehene
Handhabung noch durch den Zweck, mit dem ein Material in das pädagogische Setting
eingebracht wird. Sie entsteht in Interaktion mit dem Ding durch die Bedeutungszuweisung
der Akteur:innen immer wieder neu, die auf die konkrete Materialität des Gegenstands vor
ihrem spezifischen Erfahrungshintergrund antworten (Rabenstein, 2018). Gleichzeitig ist das
Kategoriensystem eine Verkürzung, die der Praktikabilität dient. Das Netzwerk, in dem das
ElFo
Elementarpädagogische Forschungsbeiträge, Band Jahrgang 3 / Heft 2 / 2021
- Titel
- ElFo
- Untertitel
- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge
- Band
- Jahrgang 3 / Heft 2 / 2021
- Herausgeber
- Lars Eichen
- Eva Pölzl-Stefanec
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 33
- Kategorien
- Zeitschriften ElFo- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge