Seite - 59 - in Else Feldmann: Schreiben vom Rand - Journalistin und Schriftstellerin im Wien der Zwischenkriegszeit
Bild der Seite - 59 -
Text der Seite - 59 -
ZwischenGhettogeschichteundâTrauerspielâ 59
âspĂŒrbarerVerlustvonUnmittelbarkeitundAuthentizitĂ€t inderBeschreibung
desGhettosâ157 einher.
AbgesehenvondenFluchtpunkteningroĂerFerneerscheintdieWeltdes
Ghettosalsweitgehendhermetisch.ProblememitderchristlichenGesellschaft
werden,wie invielenGhettoerzÀhlungenverhandelt,beiFeldmannkaumthe-
matisiert.Manistuntersich.DieeinzigenVertreterderWelt âauĂerhalbâ sind,
abgesehenvonzweiArbeiterfrauen,dieabernuralsStatistenfungieren,Adrian,
ThereseundRosalinde.Adrian,Lichtgestaltund âRetterâSimons,vonPamela
alsâJunger,Reiner,Blonderâ(vgl.:DS10) idealisiert, steht fĂŒrBildung,Radi-
kalitÀtundUnabhÀngigkeit,diebeiSimonletztendlichabernichtverfangen:
âDannhabâ ichmichandichvergebensverschwendet.â (DS32)
ImGegensatz zuAdrian sindTherese undRosalindenegativ gezeichnet.
TheresemachtkeinenHehlaus ihremAntisemitismus: âWeiĂt,mir ist esda
zufamiliĂ€râzuvieleDingsda, JudenâŠâ(DS12),undRosalindegibtAnstoĂ
zuSimonsNervenzusammenbruch, indemsie ihnprovoziert: âJa, freilich!Sie
mĂŒssenbei ihremVaterbleiben[âŠ],womitwollensiemirbeweisen,daĂsie
einMannsind?HabensieschoneinmaleinMĂ€del imArmgehabt?â (DS35)
SieverfĂŒhrtSimon,derzudemauf ihrGeheiĂSchmuckausdemGeschĂ€ftdes
Vatersentwendet.
Dieserdoppelte âSĂŒndenfallâ lĂ€sstdenbereitsgefasstenEntschlusszumAus-
bruch aus der Familiewieder in sich zusammenfallen undderVerlust der
Unschuldgipfelt inderSehnsuchtnacheinerRĂŒckkehr indenmĂŒtterlichen
SchoĂ:
SIMON:IchbineinDieb. Ichhabâgestohlen.Undichhabâ soetwasSchlechtesgetan, so
etwasSchlechtes.Vaterwirdgleichdasein,michsuchen.Mutterwirdweinenâundnie-
mandwird ihrdieBriefe schreibenvonHeinrichâundichmöchtesogernebeimeiner
Mutterbleibenundauf ihremSchoĂschlafen, knienamBodenunddenKopf in ihren
SchoĂlegenundschlafen. (DS41)
AuchaneineranderenStelle,hierabernurvermitteltdurchHannasErzÀhlung
ĂŒber ihreZeitmit dem âFĂŒrstenâ, scheint dasLebenauĂerhalbderWelt des
Ghettosauf:
HANNA: IchwarebenseineGefĂ€hrtin.Verbrecherinwar ichkeineâbloĂ, ichwar sei-
ne ReprĂ€sentantin, seinDekorumhat erâs genannt. Er brauchtemich, daĂ ich in den
SpielsĂ€lenherumsaĂunddieelegantenSpieleranlockte.âMutter,washabe ichdaalles
gesehen!Was fĂŒr eineWelt, so ganz anders als hier, wiewennâs nicht dasselbeDasein
wĂ€re!Und jetzt bin ichwiederda.Wiekommtmirdas alles vor!DieseStubeâMutter,
dumitdeinemSorgengesicht. (DS25)
157 Ebd.:S.Â
88.
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0 | CC BY-NC-ND 4.0
© 2021, Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
zurĂŒck zum
Buch Else Feldmann: Schreiben vom Rand - Journalistin und Schriftstellerin im Wien der Zwischenkriegszeit"
Else Feldmann: Schreiben vom Rand
Journalistin und Schriftstellerin im Wien der Zwischenkriegszeit
- Titel
- Else Feldmann: Schreiben vom Rand
- Untertitel
- Journalistin und Schriftstellerin im Wien der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Elisabth H. Debazi
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21213-3
- Abmessungen
- 15.8 x 23.4 cm
- Seiten
- 306
- Schlagwörter
- L
- Kategorie
- Biographien