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210 Romane
undÜberempfindlichkeit“,694mitdersiesichbiszueinemgewissenGradgegen
denAnschlussandieGesellschaftwappneten;Eigenschaften,zudenenauch
Horowskyneigt: „er schreit“, „wirdwild“ (MUA212), „speitGiftundGalle“
(MUA283)und„kanzelt“dieWirtin„vorallenGästenab“(MUA249),außer-
demister„leichtgekränkt,böseundnachträgerisch“(MUA313): „Erspricht
nureinpaarWorte,kaltwieeineHundeschnauze.“ (MUA225)Zudemzeichne
Männer,diezuProstituiertengehen, soAdler, eine„auffallendeVorsicht“aus,
siewählen„inderRegelgesicherteBerufe […]fühlensichzuweilenzurÜber-
nahmevonöffentlichenÄmterngedrängt“undfallendurch ihr„grenzenloses
Mißtrauen“695 auf:
Horowsky istLandesgerichtsrat inWarschau,einBeruf,der ihmeinsicheres
Auftretenermöglicht: „OhnemeinRichterkleidundallesDazugehörigebin
ichnureinTorso.“ (MUA256)SeinVerhaltengegenüberMartha istunein-
deutig: „EssiehteineWeileaus, alsobermichgernhätte;dannsiehtes soaus,
alsobermichnurhabenwollte.“ (MUA227)Bis zumSchlussvermeidet er
es, sich festzulegen:„ichwerde ja sehen,vielleicht fügtes sich,daß icheines
Tageszurückkehre,wodubist“.ErerwartetaberseinerseitsvonMarthaeine
verbindlicheZusage:„VielleichtgeschiehteinsolchesWunder,daßichmich
wandle,unmöglichistnichtsindiesemLeben,könntestdumirdasVersprechen
geben, indiesemFallezuwarten?“ (MUA255)VorsichtundMisstrauengegen
Marthazeigensichdarin,dasser ihr inderNacht,als sie ineineKneipegeht,
umdortGeld fürdieHeimreisezuverdienen,heimlich folgtundspäter inqui-
sitorischzurRedestellt: „Ersiehtmichan,mitdemgewöhnlichen,bohrenden
Wladimir-Blick,mitdemBerufsblick[…].“ (MUA334)„‚DieWahrheit!Warst
dues, die einederverrufenenKneipenaufsuchte, sichmitGesindel anden
Tischenniederließ, trank…?‘“ (MUA335)
Marthaistsich–zumalimUrlaubwieHorowskyseinesRichteramteszumin-
dest inderWahrnehmungderÖffentlichkeit ihrerRolleeinerProstituierten
enthoben–ihrerGefühleebensounsicher: „[…]vielleicht istdasnichtLiebe;
vielleichtistesnurdassehnsüchtigeVerlangennachRettung?StarkeNeugierde:
möchtedochmal sehen,wiees sichalsbeschützte,geachteteFrau lebt.“ (MUA
277)DieWahrheitübersichkannsienicht sagen:„[…]er istkeinMensch,der
verzeiht,keinMensch,dervergibt.“ (MUA269)AberMarthahatSkrupel, eine
BeziehungaufLügenaufzubauen:„Alsosoll ich lügen,undwenndieMacht
meinerWeiblichkeit starkgenug ist,mich ineinanderesLebenhinüberretten,
hinüberschummeln.“(MUA280)DerunaufhebbarnegativenAufladungdieser
Beziehungist sie sichdeutlichbewusst: „EinMannstehtmirnah,aberdas ist
allesanrüchigundfaul.“ (MUA219)
694 AlfredAdler:GesellschaftundKultur1892–1937.O. a.: S. 136.
695 Ebd.:S.
136.
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© 2021, Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
Else Feldmann: Schreiben vom Rand
Journalistin und Schriftstellerin im Wien der Zwischenkriegszeit
- Titel
- Else Feldmann: Schreiben vom Rand
- Untertitel
- Journalistin und Schriftstellerin im Wien der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Elisabth H. Debazi
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21213-3
- Abmessungen
- 15.8 x 23.4 cm
- Seiten
- 306
- Schlagwörter
- L
- Kategorie
- Biographien