Seite - 271 - in Else Feldmann: Schreiben vom Rand - Journalistin und Schriftstellerin im Wien der Zwischenkriegszeit
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VonderGesellschaftabgeschnittene, ‚andereRäume‘–Heterotopien 271
FeldmannbeschreibtdieFaszination,dieTheateralsOrte,andenensichdem
AlltagentgegengesetzteParallelweltenentfalten,alsMädchenauf sieausübten,
egal,obessichdabeiumdaskleine, fahrendeTheater,welches imFrühling,nur
einpaarStraßenvonderWohnungihrerElternentfernt, imBezirkgastierte–
„[…]einwinzigesVarietékamnebenuns indiePassage.Esbestandnuraus
dreiKräften:einerLiedersängerin,einemZauberkünstlerundeinemRiesen,er
hießPiljakundstammteausRußland.“876–,oderaberdasgroßeCarl-Theater
handelt:
WirsolltenallezumTheaterstück inswirklicheTheatergehen. […]Nein,einderartiges
großesHaus,wie istdasmöglich!Logengabesdort; soalsoschauteinrichtigesTheater
aus!OhneAnfangundohneEnde!EineBühnemitSchauspielern!Programmbitte!Ein
Zettel lag auf unseremPlatz. […]Plötzlichfinster.Musik,Vorhanggeht auf, Feenund
Geister, eineblaueBeleuchtungundsie sprechen!Nein,daßes soetwasgab!Alexander
kautNägelvorStaunen,undichschaue, schauewiemitvierPaarAugen.877
Sie erinnert sich,wie sie nachEndederVorstellungmit ihremBruder die-
senbesonderenOrt,der inmittendeseintönigenLebens ineine schillernde
Parallelwelt zuversetzenvermag,genauestenserkundet:
Alsdas Stück zuEndewar,wolltenwirnicht sogleichgehen. […]Und imHinunterge-
hensahenwirunsnochalles imHausean,dieMessingstangenandemTreppengeländer
prüftenwir, unddieBehälter indenEcken sahenwir an,wodie Schläucheder Feuer-
wehr verwahrt lagen.Zuletzt gingenwirdurchdie schmaleTür,woNotausgang stand,
wir wollten sehen, woman da hin komme, wir kamen auf die Straße. […] aber jetzt
wußtenwir,wasdrinnenwar. […]DaswirklicheTheater!Früherwarenwirnochklein
undhörtenunsdummesZeugan–TonioaufdenschmutzigenWirtshausbrettern[…].
HierhingegeneinherrlichesGebäude,echteSchauspieler,diesprecheninGold-undSil-
berkleidern,wenn es Feen, undgewöhnlichen,wenn esMenschen sind– achTheater,
Theater!!878
ViertesMerkmal derHeterotopie ist, dass sie oft anZeitschnitte gebunden
ist und dieMenschen dortmit der herkömmlichenZeit brechen, wie z.
B.
derFriedhofdenVerlustdesLebenssowiedenBeginneinerQuasi-Ewigkeit
markiert.
AuchinMuseenoderBibliothekenkommteszueinersolchenAnhäufung
vonZeit,dienichtaufhört, indemmandortObjekte,BilderundBücheraus
verschiedenstenJahrhundertenzusammenzutragenversucht.
876 Dies.:DawurdeesFrühling. In:AZNr.:88.30.03.1933.S. 6.
877 Dies.:AllerleiTheater. In:AZNr.:99.01.04.1928.S.
19–20.Hier:S. 19.
878 Ebd.:S.
20.
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0 | CC BY-NC-ND 4.0
© 2021, Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
Else Feldmann: Schreiben vom Rand
Journalistin und Schriftstellerin im Wien der Zwischenkriegszeit
- Titel
- Else Feldmann: Schreiben vom Rand
- Untertitel
- Journalistin und Schriftstellerin im Wien der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Elisabth H. Debazi
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21213-3
- Abmessungen
- 15.8 x 23.4 cm
- Seiten
- 306
- Schlagwörter
- L
- Kategorie
- Biographien