Page - 12 - in Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny - Briefe 1938-1945
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2 EinfĂĽhrung
Briefewerdengeschrieben,umsich selbstmit eigenenundunfer-
tigenGedankenzukonfrontieren,diese zuobjektivieren,Abstand
zu erhalten, damit dem Anbahnen eigener Erkenntnistätigkeit zu
dienen. [...] Die Vertraulichkeit des Umganges der Briefpartner
miteinander läßt den Briefwechsel für viele zum Medium der Selbst-
erschlieĂźung werden.12
AlexanderLernet-HoleniasBriefeanLotteSwecenysind–mehrnochals
etwadieanZuckmayeroderandereFreunde–häufigdozierender13 und
ĂĽberwiegend monologischer14 Natur und geben daher mehr ĂĽber ihn
selbstundseineArbeit preis alsüber seinVerhältnis zuLotteSweceny
odergarüberderenLebensumstände. „DokumentegeistigerArbeitspro-
zesse“15 sind die Briefe dort, wo Lernet sich über Schicksal, Künstlertum,
Tod, schriftstellerische Arbeit und dergleichen auslässt – vieles, was
in seinen Romanen nachzulesen ist, wird in den Briefen vorgeformt,
weiterentwickelt oderauchnurwidergespiegelt.
DieBriefewurdeninJahrenverfasst,die fĂĽrAlexanderLernet-Holenia
– und nicht nur für ihn – von großer Bedeutung waren. „Die Welt hat
doch ein anderes Gesicht bekommen“, schreibt Lernet einmal im Juni
1942 (S.198) an Lotte Sweceny. Wie viele seiner Zeitgenossen hatte
Lernet, der noch ganz dem „alten Österreich“ verpflichtete Dragoneroffi-
zier des Ersten Weltkriegs, sein Bezugssystem gerade noch ĂĽber die Zeit
des austrofaschistischen Ständestaats hinüberretten können, bevor er
seinermitdem„Anschluss“ÖsterreichsandasDeutscheReichendgültig
verlustigging.DieschriftstellerischeKarriereLernetsstagnierteEndeder
DreiĂźigerjahre, freilichaufhohemNiveau;dieErlebnissedesZweiten
Weltkriegs – und hier die ereignisreichen Wochen in Polen wohl ebenso
wiedieäußerlichoft lähmenduntätigenTagebeiderHeeresfilmstelle
inBerlin–verhalfen ihm jedochzueinemSchuban„Selbstbesinnung“,
der sich fĂĽr einige seiner bedeutendsten Werke nutzbar machen lieĂź:
die beiden Romane Mars im Widder und Beide Sizilien sowie die Ge-
dichtsammlung Die Trophae. „Denn dieser Krieg“, so Lernet an seinen
Verleger Peter Suhrkamp, „soviel er mir genommen hat, hat mir auch
12 RegineZott:DieunzeitgemäßenHundsposttage ... FragennacheinerBrieftheorie. In:
Hans-Gert Roloff (Hrsg.): Wissenschaftliche Briefeditionen und ihre Probleme. Editionswis-
senschaftlichesSymposion. Berlin:WeidlerBuchverlag1998,S.43–72,hierS.51.
13 Daviauhat zutreffend festgestellt, dassLernet-Holenia „die Tendenzhatte, ex cathedra
zu sprechen“, auch in seinenBriefen (Daviau: Lernet-Holenia in seinenBriefen,S.41).
14 Zur zugleich monologischen und dialogischen Natur von Briefen vgl. auch Zott: Fragen
nacheinerBrieftheorie, S.55.
15 Ebd., S.62.
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Title
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Subtitle
- Briefe 1938-1945
- Author
- Christopher Dietz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 468
- Categories
- Weiteres Belletristik