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2. Die algorithmische Choreographie des beeindruckbaren Subjekts 65
feststellte, produzieren Macht und Wissen »Wirkliches […] das Individuum
und seine Erkenntnis sind Ergebnisse dieser Produktion« (Foucault 1986: 250).
Maschinelles Lernen transformiert all diese Pfade oder Spuren in ›Mar-
kenaffinität‹. Riesige Datensätze von 100 Millionen dimensionalen Matrizen
kartieren die Internetwege des Subjekts zu sich dynamisch entwickelnden
Markenprofilen um ›Affinität‹ zu etablieren. Mit der Zuschreibung von hoher
Markenaffinität wird das Subjekt als eines hervorgebracht, das ›wie andere‹
ist – wie andere, die beim Zeigen bestimmter Markenwerbung konvertieren.
Dem individuierten und markierten Subjekt werden sodann dynamisch per-
sonalisierte Werbungen geliefert, die auf Echtzeit-Auktionen (zwischen Kauf-
und Verkaufsalgorithmen) binnen 100 Millisekunden gehandelt werden. Das
markierte Subjekt ist ein akribisch choreographisiertes Subjekt, das vermittels
einer großen Anzahl algorithmischer Akteure hervorgebracht wird. Dieses
Subjekt weist Dstillery zufolge eine viermal höhere Konversionswahrschein-
lichkeit auf als ein nicht-beeindruckbares, dem eine beliebige Werbung ge-
zeigt wird.25 Es besteht kein Zweifel, dass die Assemblage, welche die beein-
druckbaren Subjekte hervorbringt, sich weiterentwickeln und noch raffinierter
werden wird. Die Logik des Ganzen, des Geschäftsmodells Internet, wird mit
jeder neuen Innovation weitergegeben werden, denn es ist die Möglichkeits-
bedingung des Werdens eben dieses Ganzen. Bis hierher haben wir uns in
erster Linie dem Fluss der Handlungsträgerschaften algorithmischer Akteure
gewidmet. Wir wollen nun den Fluss der Handlungsträgerschaft des durch sie
erzeugten Subjekts genauer betrachten.
In ihrer Erörterung der Hervorbringung des Konsumentensubjekts in der
Werbepraxis (besonders im Zusammenhang zu den Arbeiten des Tavistock
Institute of Human Relations, die sie untersuchen) zeigen Rose und Miller
(Rose/Miller 2008: 139) Folgendes:
»Um eine Beziehung zwischen Individuum und Produkt herzustellen, muss eine komple-
xe und hybride Assemblage eröffnet werden. In dieser müssen Kräfte und Bewegungen
vorgestellt werden, die vom Inneren der Psyche von Personen bestimmten Alters, Ge-
schlechts oder bestimmter sozialer Bereiche ausfließen und die mit Möglichkeiten und
Versprechungen verknüpft werden, die bestimmten Waren zugeordnet werden können,
die innerhalb eines kleinen Sets alltäglicher Routinen und Gewohnheiten angeordnet
sind.«
In den vorangegangenen Erörterungen wurde diese ›Verknüpfung‹ von Subjekt
und Produkt im Onlinemarketing als eine Hervorbringung des beeindruck-
baren Subjekts mittels der Choreographie einer großen Anzahl algorithmi-
25 | www.fastcompany.com/1840817/media6degrees-knows-what-you-want-buy-
even-you-do (zuletzt abgerufen am 20. Februar 2016).
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Title
- Algorithmuskulturen
- Subtitle
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Author
- Robert Seyfert
- Editor
- Jonathan Roberge
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 242
- Keywords
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Category
- Technik