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4. Die Online-Stimmen von Verbrauchern in Form bringen 119
pflichtung, zum Gemeinwohl beizutragen, und in der Ablehnung, das System
auszunutzen.
Um Klarheit über die Logik hinter den Motiven der Beitragenden zu erhal-
ten, lenkten die Interviews die Diskussion auf das Zielpublikum der geposte-
ten Kritiken: in den meisten Fällen wurden vor allem andere Nutzer genannt.
Unter allen Komponenten der sozio-technischen Assemblage, die sich um sol-
che Seiten herum entwickelt – eine Verbindung aus einer Webseite, Gastrono-
men, Suchalgorithmen und anderen Nutzern und Bewertern –, sind es in ers-
ter Linie die Nutzer, die als primäre Empfänger der eigenen Beiträge erwähnt
werden und denen man sich auch verpflichtet fühlt: »Wenn ich schreibe, dann
in erster Linie für Konsumenten« (E3), »für Leute wie mich, die in Restaurants
gehen. Weil ich denke, das kann jemandem nützlich sein« (E5), »vom ersten
Moment an, an dem ich Gefallen am Lesen der Meinung anderer Leute emp-
fand, habe ich auch meine eigene Meinung abgegeben« (E32), »ich denke, es
lohnt sich, die Ansichten anderer zu lesen, und ich vermute mal, meine auch«
(E14) usw. Zusammenfassend:
Also, erst einmal bin ich Leser von Kritiken und ich denke, ein Teil meines Konsums
basiert auf den Ratschlägen, die ich bekommen habe. Da mir diese Tätigkeit wichtig
ist, kommt es mir auch wichtig vor, dass ich meine eigene Meinung hinterlasse. (E12)
Zusätzlich richten sich einige Nutzer mit ihrer Meinung direkt an die Restau-
rantbesitzer. Einerseits um dem Haus und dem Personal für eine gute Erfah-
rung zu danken: »Wenn ich zufrieden bin, hinterlasse ich einen Kommentar,
um sie auf ihrem guten Weg zu bestärken.« (E17) Andererseits sehen diese
Konsumenten ihre Rolle auf Bewertungsseiten auch darin, den Restaurantbe-
sitzern – möglicherweise auch ungeachtet ihrer Bemühungen – durch Kritik
zu helfen, die stets »konstruktiv« sei, wie sie betonen. Einen Beitrag zu schrei-
ben bedeutet also auch Teilhabe an der Verbesserung der Restaurant-Erfah-
rung, über die Steuerung der Konsumenten hinaus:
Ich bemühe mich, stets in konstruktiver Absicht zu kommentieren. Ich bin kein bösarti-
ger oder beleidigender Kritiker, der nichts beiträgt. Mit konstruktiver Kritik kann ich den
Service verbessern. (E15)
Für die ist das auch wichtig, denn ich kann Dinge zum Besseren wenden, oder kann
ihnen zeigen, dass es einige gute Eigenschaften oder Mängel gibt. Also indem man sie
bewertet und kritisiert, kann man sie vielleicht auf Probleme aufmerksam machen und
Abhilfe schaffen. (E25)
So verzeichnet diese Analyse der Motive für Beteiligung eine Diskrepanz in
der Literatur über Online-Partizipation. Anders als Gruppenmitglieder, die
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Title
- Algorithmuskulturen
- Subtitle
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Author
- Robert Seyfert
- Editor
- Jonathan Roberge
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 242
- Keywords
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Category
- Technik