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4. Die Online-Stimmen von Verbrauchern in Form bringen 123
Für mich ist das erste Kriterium die Qualität des Essens. Nicht die Menge, sondern die
Qualität. Wie schon gesagt, wenn ich ins Restaurant gehe, erwarte ich, dass das Essen
frisch ist. (E5)
Wir erwähnen immer, ob das Essen gut ist mit frischen Produkten und gut zubereiteten
Mahlzeiten.
Restaurantbewertungsseiten, und besonders LaFourchette, pflegen keine Ama-
teur-Gastronomiekritik, zumindest nicht im Sinne von elaborierten subjek-
tiven Schilderungen einmaliger ästhetischer Erfahrungen. Unter unseren
Interviewpartnern erhebt die große Mehrheit nicht den Anspruch, besonders
qualifiziert oder ausgebildet zu sein, und diejenigen, die sich auf ihre gastrono-
mische Kompetenz berufen, glauben, dass diese Seiten für derartige Kritiken
nicht der richtige Ort seien: »ich bin kein Blogger«, stellt ein Befragter fest (E1).
Die Berichte handeln dennoch vor allem vom Essen, wenngleich in allgemei-
nerer, weniger subjektiver Form. Beurteilungen der Frische der Lebensmittel,
der Zubereitungsmethoden und der Portionsgröße erfordern natürlich einige
Kenntnisse und variieren individuell, aber weitaus weniger als etwa subjekti-
ve Beurteilungen von Gewürzkombinationen. Nochmals: Die Effektivität von
Bewertungsseiten allgemein beruht nicht auf der Relevanz hochraffinierter
Evaluierungen, sondern eher auf der Akkumulation konventioneller, konver-
gierender Beurteilungen.
Der aktivste Beiträger in unserer Stichprobe (281 Bewertungen und 194
Kritiken) zeigt eine innige Vertrautheit mit der gastronomischen Kultur und
verfügt über viel Erfahrung in der Feinschmeckerwelt. Als passionierter Leser
von Gourmetführern und Blogs legt er eine virtuose Fertigkeit in der Beschrei-
bung von Gerichten und Restaurants an den Tag. Aber auf LaFourchette über-
nimmt er völlig den üblichen Bewertungsstandard der kurzen Kritiken:
Statt bis in einzelste Detail zu gehen und zu schreiben: »ja, ich habe das-und-das Ge-
richt gegessen, das ganz vorzüglich war. Im Gegensatz dazu schmeckte jenes sehr
schlecht …« Damit erreicht man nichts. Ich denke, wir sollten da ein bisschen präziser
sein. […] Zu Anfang war ich, wie ich schon sagte, vielleicht ein bisschen raumgreifender
in meiner Meinung. Ich schrieb fünf, vielleicht sechs Zeilen und zuweilen, wenn ich’s
übertrieben habe, bis zu zehn. Heute halte ich mich an etwa drei Zeilen. Soll heißen,
mit der Zeit und je mehr Kommentare ich lese …, […] schreibe ich keine kritischen Aus-
einandersetzungen wie Gilles Pudlowski oder François Simon.5 (E30)
Zusätzlich zu den bereits erwähnten Bewertungskriterien (Speisen, Service,
Ambiente), die von der Plattform vorgegeben werden, fügen Beiträger oft noch
5 | Pudlowski und Simon sind zwei der bekanntesten Gastronomiekritiker Frankreichs.
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Title
- Algorithmuskulturen
- Subtitle
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Author
- Robert Seyfert
- Editor
- Jonathan Roberge
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 242
- Keywords
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Category
- Technik