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ALJ 1/2015 Stefan Arnold 4
I. Einführung
Kunstgegenstände sind nicht nur kulturell sondern auch wirtschaftlich bedeutsam: Für Europa
werden jährliche Umsätze im dreistelligen Milliardenbereich berichtet.1 Auch der illegale Kunst-
markt gehört zu den „großen Drei“ der Schwarzmärkte Europas – noch vor dem Waffen-, allerdings
erst nach dem Drogenhandel.2 Dementsprechend hoch sind die Risiken beim Erwerb von Kunst-
gegenständen. Das ergibt sich auch aus der möglichen Belastung mancher Kunstwerke als Beu-
tekunst oder „entartete“ Kunst.3 Der Fall Gurlitt hat diese Besonderheiten spätestens seit dem
Salzburger Kunstfund auch für das österreichische Recht in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.4
Beim Erwerb von Kunstgegenständen muss das Recht in seiner sozialen Steuerungsfunktion
einen Ausgleich von Eigentumsschutz und Verkehrsschutz schaffen: Im Interesse der Eigentümer –
einschließlich der Erben ursprünglicher Eigentümer – liegt die Aufrechterhaltung der Ursprungs-
position; im Interesse potentieller Erwerber liegt eine bestandskräftige Neuordnung der Eigen-
tumsposition zu ihren Gunsten. Zugleich kann das Privatrecht auch öffentliche Anliegen integrie-
ren – sicher die Schaffung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit, vielleicht aber auch Allge-
meinwohlbelange wie das öffentliche Interesse an der öffentlichen Sichtbarkeit bedeutender
Kunstwerke.
Die erste Weichenstellung für das sachenrechtliche Schicksal von Kunstgegenständen stellt das
internationale Privatrecht. Kunstobjekte sind oft leicht beweglich. Daher sind nicht nur Veräuße-
rungen ins Ausland tägliches Brot des Kunsthandels; auch der Lageort von Kunstwerken wechselt
häufig.5 „Wandernde“ Kunstobjekte führen aber unvermeidbar zu der oft vorentscheidenden
Frage nach dem anwendbaren Recht. Über die abschließende Eigentumszuordnung entscheidet
dann das jeweils anwendbare materielle Sachenrecht. Gegenstand der folgenden Zeilen sind
einige Überlegungen dazu, wie das österreichische Kollisionsrecht und das österreichische Sachen-
recht Eigentums- und Verkehrsschutz in Einklang bringen. Das hier gezeichnete Bild kann keine
Vollständigkeit erreichen: Denn die kollisionsrechtlichen und privatrechtlichen Vorgaben werden
vom öffentlichen Recht entscheidend überlagert – insbesondere dem öffentlichen Restitutions-
recht beispielsweise bei „entarteter“ Kunst, aber auch vom Denkmalschutzrecht und internatio-
1 Anton, Wem gehört die Monstranz? Diebstahl, Restitution und gutgläubiger Erwerb von Kunstwerken am Beispiel
eines gestohlenen Sakralgegenstandes, in M. Weller/Kemle/T. Dreier/Lynen (Hrsg), Kunst im Markt – Kunst im Recht:
Tagungsband des Dritten Heidelberger Kunstrechtstags am 09. und 10. Oktober 2009 (2010) 193; ders, Paradig-
menwechsel im gutgläubigen Erwerb von Kunst- und Kulturgütern, JR 2010, 415 (415 f).
2 Anton in M. Weller/Kemle/T. Dreier/Lynen 193; ders, Handbuch Kulturgüterschutz und Kunstrestitutionsrecht I:
Illegaler Kulturgüterverkehr (2010) § 1 Rz 2, 1. Teil Rz 7.
3 Zur Beutekunst Müller, Raubkunst – Rückblick und Ausblick, in FS Siehr (2010) 147; Anton, Illegaler Kulturgüterver-
kehr 273 ff; Hartung, Kunstraub in Krieg und Verfolgung: Die Restitution der Beute- und Raubkunst im Kollisions-
und Völkerrecht (2005); Schoene, Der rechtliche Status von Beutekunst: Eine Untersuchung am Beispiel der auf-
grund des Zweiten Weltkrieges nach Russland verbrachten deutschen Kulturgüter (2004); zur entarteten Kunst
Anton, Illegaler Kulturgüterverkehr 955 ff; Jayme, „Entartete Kunst“ und Internationales Privatrecht (1994).
4 Dazu ua Jayme, Der Gurlitt-Fall – Grundfragen des Kunstrechts, in Mosimann/Schönenberger (Hrsg), Kunst & Recht
(2014) 127; S. Arnold/S. Lorenz, Die Vindikationsverjährung und ihre Folgen im System des BGB, in FS Köhler (2014)
451; Baldus in Rixecker/Säcker/Oetker (Hrsg), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch VI6 (2013) § 985
Rz 65 (Aktualisierung vom 14. 1. 2014); Ernst, Bilderbesitz im Rechtsstaat, JZ 2014, 28; M. Weller, Kunstrecht auf dem
Prüfstand: Der „Schwabinger Kunstfund“ an der Schnittstelle von Strafverfolgung und Sachenrecht, KuR 2013, 183.
5 Siehe etwa Damm, Kollisionsrechtlicher Erwerberschutz im internationalen Kunsthandel, in Hoeren/Holznagel/
Ernstschneider (Hrsg), Handbuch Kunst und Recht (2008) 243 (245); Wiese, Der Bedetuungswandel der Situs-Regel
im Internationalen Sachenrecht der Kulturgüter, in FS Siehr (2010) 83 (84 f); Schack, Kunst und Recht2 (2009)
Rz 424 ff.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2015
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 188
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal