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ALJ 1/2015 Stefan Arnold 14
es daher natürlich auch bei Beutekunst (Plünderungen) aus dem Dritten Reich fehlen, ebenso bei
Werken, die als „entartete Kunst“ eingezogen wurden.79 Aus dem Titelerfordernis ergibt sich
auch, dass Kunstgegenstände nicht gutgläubig erworben werden können, wenn sie zu einer
denkmalgeschützten Sammlung gehören. Denn die Veräußerung von Gegenständen aus denk-
malgeschützten Sammlungen ist gem § 6 Abs 5 Denkmalschutzgesetz ohne schriftliche Bewilli-
gung des Bundesdenkmalamtes nichtig iSd § 879 ABGB. Solche Veräußerungsverträge bilden
daher keinen wirksamen Titel, der wegen des Kausalprinzips des österreichischen Privatrechts
für den Eigentumserwerb unabdingbar ist.80 So wirken die im Denkmalschutzgesetz verankerten
öffentlichen Interessen auf den privatrechtlichen Ausgleich von Eigentumsschutz und Verkehrs-
schutz ein.
Gutgläubiger Erwerb ist nur bei einem Erwerb „gegen Entgelt“ möglich, wie § 367 ABGB ausdrück-
lich klarstellt. Wer sich also ein nicht im Eigentum des Veräußerers stehendes Bild schenken lässt,
kann nicht gutgläubig erwerben. Dass der Verkehrsschutz hier hintangestellt wird, leuchtet ein.
Denn der Erwerber hat keine schützenswerten Investitionen zum Erhalt des Kunstgegentands
vorgenommen.81
C. Zu den Erwerbssituationen des § 367 ABGB
§ 367 ABGB ermöglicht den gutgläubigen Erwerb nur in drei ausdrücklich benannten Konstellatio-
nen: Zunächst beim Erwerb in einer öffentlichen Versteigerung, sodann beim Erwerb von einem
Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens und schließlich beim Erwerb von
einer Person, der der Eigentümer die Sache anvertraut hat (der sogenannte „Vertrauensmann“).
1. Erwerb in öffentlicher Versteigerung
Zur ersten Alternative, der öffentlichen Versteigerung, ist § 269 EO zu lesen, der Verkäufe freier
Hand durch Handelsmakler, Kreditinstitute, Versteigerungshäuser oder Vollstreckungsorgane der
öffentlichen Versteigerung iSd § 367 ABGB gleichstellt. Der historische Hintergrund der Regelung
des gutgläubigen Erwerbs in einer öffentlichen Versteigerung liegt in deren Öffentlichkeit, also
letztlich im Institut der Verschweigung.82 Heute stehen die besondere Autorität und Vertrauens-
würdigkeit, aber auch die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Versteigerung als Regelungszwecke
79 Zu den teils komplexen Einzelheiten Noll, juridikum 2003/1, 31 ff; Ortner, Wiedererlangung arisierter Kunst von
Privaten auf Grundlage des allgemeinen bürgerlichen Rechts, juridikum 2003/1 (34 ff); Wilhelm, ecolex 2003, 161 ff.
Siehe ferner BG über die Nichtigerklärung von Rechtsgeschäften und sonstigen Rechtshandlungen, die während
der deutschen Besetzung Österreichs erfolgt sind, BGBl I 1946/106; § 1 Kunstrückgabegesetz, BGBl I Nr 1998/181;
§ 2 Abs 3 Kunst- und Kulturgutbereinigungsgesetz, BGBl I 1969/294; § 2 Abs 3 des 2. Kunst- und Kulturgutberei-
nigungsgesetz, BGBl I 1986/2. Zu den Eigentumsverhältnissen aus deutscher Perspektive etwa Anton, JR 2010,
417; Heuer, Die Kunstraubzüge der Nationalsozialisten und ihre Rückabwicklung NJW 1999, 2558; Müller-
Katzenburg, NJW 1999, 2551 ff.
80 Zum sachenrechtlichen Kausalprinzip etwa Eccher/Riss in KBB4 § 424 Rz 1; Illedits in Schwimann (Hrsg), ABGB-
Taschenkommentar2 (2012) § 424 Rz 1 f; Spielbüchler in Rummel, ABGB I3 § 424 Rz 1; P. Bydlinski, Bürgerliches
Recht I: Allgemeiner Teil6 (2013) Rz 5/14 ff; Iro, Sachenrecht5 Rz 1/9, 6/41; Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches
Recht I14 Rz 388 ff, 1016.
81 Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 367 Rz 4; Leupold in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 367 Rz 43 f; Spiel-
büchler in Rummel, ABGB I3 § 367 Rz 4; Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 1041; Karner, Gutgläubi-
ger Mobiliarerwerb 29 mwN.
82 Leupold in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang ³ § 367 Rz 57; Karner, Gutgläubiger Mobiliarerwerb 284 f mwN.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2015
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 188
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal