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ALJ 1/2015 Stefan Arnold 16
rers erlangt, bleibt sein schon erworbenes Eigentum bestehen.89 Der Bezugspunkt des guten
Glaubens ist grundsätzlich die Eigentümerstellung des Veräußerers.90 Der gute Glaube an die
Verfügungsbefugnis des Verkäufers genügt nur beim Erwerb von einem Unternehmer im ge-
wöhnlichen Betrieb seines Unternehmens, wie seit der Handelsrechtsreform 2005 weitgehend
geklärt ist.91 Bei Kunstgegenständen ergeben sich hier keine Besonderheiten.
Die Voraussetzungen des guten Glaubens sind in § 368 ABGB geregelt. Redlich ist gem § 368 ABGB
nur, wer weder weiß noch wissen muss, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Dem Er-
werber schadet dabei nach hM schon leichte Fahrlässigkeit92: Der gute Glaube fehlt nicht nur bei
positiver Kenntnis vom fehlenden Eigentum, sondern auch bei fahrlässiger Unkenntnis.93 Dieser
Ausgangspunkt bringt eine hohe Gewichtung des Eigentumsschutzes zum Ausdruck: Der Eigen-
tumsschutz wird nicht erst – wie etwa im deutschen Sachenrecht94 – bei grober Fahrlässigkeit des
Erwerbers hintangestellt.
2. Kunstgegenstände und Nachforschungsobliegenheiten gem § 368 Abs 2 ABGB
Gerade beim Erwerb von Kunstgegenständen ist oft entscheidend, ob dem Erwerber Fahrlässig-
keit zur Last fällt. Dies hängt maßgeblich davon ab, in welchem Umfang man den Erwerber für
gehalten ansieht, Nachforschungen über Herkunft und Eigentumsverhältnisse an den erworbe-
nen Bildern anzustellen. Das österreichische Sachenrecht ermöglicht durch die Regelung des § 368
Abs 2 ABGB die dogmatische Integration besonderer Nachforschungsobliegenheiten bei Kunst-
gegenständen in vorbildlicher Weise: § 368 Abs 2 ABGB führt sehr spezifische Situationen auf, in
denen der Erwerber fehlendes Eigentum vermuten muss. Die Vorschrift benennt die „Natur der
Sache“, den „auffällig geringen Preis“ und die dem Erwerber „bekannten persönlichen Eigenschaf-
ten seines Vormanns“. Zugleich ist § 368 Abs 2 ABGB entwicklungsoffen formuliert, indem auch
„andere Umstände“ benannt werden, wegen derer der Erwerber einen gegründeten Verdacht
hätte schöpfen müssen. Das ABGB beinhaltet also in § 368 Abs 2 ABGB nicht nur sehr detaillierte
Konkretisierungen, sondern verfügt zugleich über die notwendige Offenheit für die richterrechtli-
che Entwicklung besonderer Obliegenheiten in sensiblen Bereichen – wie etwa dem Erwerb von
Kunstgegenständen.95 In anderen Zusammenhängen hat die österreichische Rechtsprechung
solche Obliegenheiten bereits im Detail ausgeformt. So gelten etwa besonders strenge Sorg-
89 OGH 1 Ob 614/87 JBl 1988, 314 (Czermak); Leupold in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 367 Rz 24; Iro, Sachen-
recht5 Rz 2/23. S auch PEL Art VIII. – 3:101 und dazu PEL/Lurger, Faber, Acq. Own., Chapter 3, Article VIII. – 3:101,
Comments, C, 20.
90 Eccher/Riss in KBB4 § 367 Rz 3; Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek, ABGB II4 § 367 Rz 4; Leupold in Fenyves/Kersch-
ner/Vonkilch, Klang ³ § 367 Rz 39 f.
91 Eccher/Riss in KBB4 § 367 Rz 3; Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek, ABGB II4 § 367 Rz 4; Leupold in Fenyves/Kersch-
ner/Vonkilch, Klang ³ § 367 Rz 39 f, § 368 Rz 10; Iro, Sachenrecht5 Rz 6/51; Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht
I14 Rz 1038. Zum Ansatz der PEL vgl PEL/Lurger, Faber, Acq. Own., Chapter 3, Article VIII. – 3:101, Comments, C, 19.
92 ErlRV 1058 BlgNR 22. GP 67; Eccher/Riss in KBB 4 § 367 Rz 3, § 368 Rz 1; Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek, ABGB II4
§ 367 Rz 3 und § 368 Rz 1; Leupold in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang ³ § 367 Rz 23, § 368 Rz 4; Iro, Sachenrecht5
Rz 6/50; Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 1038; Karner, Gutgläubiger Mobiliarerwerb 332, 398 ff;
Apathy, Redlicher oder unredlicher Besitzer, NZ 1989, 137.
93 Grüblinger in Schwimann/Kodek (Hrsg), Praxiskommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch II4 § 326 Rz 1;
Illedits in Schwimann, ABGB-TaKom2 § 326 Rz 3; Leupold in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang ³ § 367 Rz 23, § 368 Rz 5;
Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 828; Karner, Gutgläubiger Mobiliarerwerb 401. Auch die PEL präfe-
rieren diesen strengen Standard, vgl PEL/Lurger, Faber, Acq. Own., Chapter 3, Article VIII. – 3:101, Comments, C, 21.
94 Siehe nur Kindl in BeckOK BGB § 932 Rz 16; Oechsler in Rixecker/Säcker/Oetker (Hrsg), Münchener Kommentar
zum Bürgerlichen Gesetzbuch VI6 (2013) § 932 BGB Rz 46 f.
95 OGH 7 Ob 43/66 JBl 1967, 367; Eccher/Riss in KBB4 § 368 Rz 2; vgl auch F. Bydlinski, Der Inhalt des guten Glaubens
beim Erwerb vom Vertrauensmann des Eigentümers, JBl 1967, 355 (361).
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Austrian Law Journal
Volume 1/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2015
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 188
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal