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ALJ 1/2015 Gerhard Hafner 138
der Minderheitenangehörigen zu den Unionswerten sowie in Art 3 den Reichtum der kulturellen
und sprachlichen Vielfalt zu den Zielen der Union zählt.
Das Minderheitenrecht kam im Fall Bickel/Franz 69 auf den Prüfstand des EuGH, in dem der Ge-
richtshof jedoch besonderen Wert dem Schutz der Minderheiten beimaß. Das Sprachenerforder-
nis war schon im Fall Groener 70 als zulässig erkannt worden. Im Fall Angonese71 beschäftigte sich
der EuGH ebenfalls mit dem Sprachenerfordernis, allerdings lediglich hinsichtlich der Feststellung
der entsprechenden Sprachkenntnisse.
Wenn auch das gegenwärtige Unionsrecht etwas zögerlich gegenüber affirmativen Rechten von
nationalen Minderheiten ist, lässt sich schließen, dass die besonderen Rechte der Südtiroler der-
zeit nicht gefährdet sind, entweder weil sie europarechtlich als gerechtfertigt gelten oder nicht in
den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen. So liegt zB die gegenwärtig aktuelle Frage der
Finanzhoheit Südtirols, die durch den Brief des italienischen Regierungschefs gelöst zu sein
scheint72, außerhalb des Unionsrechts.
C. Transitprobleme
Außerhalb des außenpolitischen Problemkreises stand Österreich dem durch den Beitritt zu
erwartenden Anwachsen des Transitverkehrs gegenüber, zur Zeit des Beitritts insbesondere im
Gebiet der Alpenüberquerung. In dieser Hinsicht waren besondere nachteilige Auswirkungen auf
die im Alpenbereich sensible Umwelt zu erwarten, was eine Internalisierung der externen Effekte
erforderte. Mit dem Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL) im Jahre 2004 erwei-
terte sich dieser Problemkatalog um den Ost-West-Transitverkehr durch Österreich.73
Österreich hatte schon vor dem Beitritt im Jahre 1992 im Transitabkommen EWG-Österreich von
Porto mittels des Ökopunktesystems und der Begrenzung der Transitfahrten eine Lösung für
einen Zeitraum von 12 Jahren getroffen, die es auch nach dem Beitritt zu wahren galt.74 Es gelang
in den Beitrittsverhandlungen, die wesentlichen Inhalte dieser Regelung mittels Überführung in
das Protokoll Nr 9, somit in das Primärrecht, zu erhalten. Die Anwendungspraxis blieb jedoch
nicht ohne Schwierigkeiten.
Nach Auslaufen dieses Protokolls erließ die EU eine Übergangsregelung für den Transitverkehr
durch Österreich, bis später eine generelle Regelung durch die Wegekostenrichtlinie zwecks
Harmonisierung der Benutzungs- und Mautgebühren für das gesamte transeuropäische Stra-
ßennetz getroffen wurde, deren Änderung jedenfalls eine höhere Mautgebühr für die Durchfahrt
durch sensible Gebiete gestattet.75
69 EuGH 24. 11. 1998, C-274/96, Bickel/Franz.
70 EuGH 28. 11. 1989, C-379/87, Groener.
71 EuGH 6. 6. 2000, C-281/98, Angonese.
72 Siehe http://www.provinz.bz.it/news/de/news.asp?news_action=4&news_article_id=479837 (abgefragt am 13. 3.
2015).
73 Siehe Zatl, Transitverkehrspolitik in Österreich, Verkehrsjournal 02/10 abrufbar unter: file:///I:/graz%202015/Ver-
kehrsjournal.html; Puwein, Auswirkungen der EU-Erweiterung auf den Verkehr in Österreich, WIFO Monatsbe-
richte 2001/8, 513 ff.
74 Siehe dazu im Detail Obwexer in Hummer/Obwexer 299 ff.
75 RL 2011/76/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. 9. 2011 zur Änderung der RL 1999/62/EG
über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge,
ABl L 2011/269, 1.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2015
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 188
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal